Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

64 | ZAHNMEDIZIN AUS DER WISSENSCHAFT Ist Bisphenol A aus Dentalmaterialien ein Gesundheitsrisiko? Elmar Hellwig Seit dem Verbot von Amalgam als Standardfüllungsmaterial werden vermehrt Komposite als plastisches Füllungsmaterial eingesetzt. Aber auch diese Materialien setzen Bestandteile frei, die mit Gesundheitsrisiken verbunden sein können. Insbesondere Bisphenol A (BPA) ist hier im Fokus. Eine deutsch-tschechische Arbeitsgruppe hat jetzt in einer Übersichtsarbeit die Literatur gesichtet. Die Studie von Tichy et al. bietet eine interessante Chronologie der BPA-Forschung und fasst die wesentlichen Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien zur Freisetzung von BPA aus dentalen Materialien zusammen. Die Autoren beschreiben die diskutierten Gesundheitsrisiken und mögliche Strategien zur Minimierung der Exposition. Schon 2007 und 2009 hatte eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Olga Polydorou (Freiburg) die Freisetzung von Bisphenol A aus gängigen Kompositmaterialien beschrieben [Polydorou et al., 2007; 2009]. Aber wie ist die Freisetzung von BPA aus Füllungsmaterialien einzuordnen und welche Risiken sind damit verbunden? Gesundheitsrisiken BPA ist ein endokriner Disruptor, der mit reproduktiven (reduzierte Fruchtbarkeit, Veränderungen der sexuellen Entwicklung, ektopische Schwangerschaften, erhöhtes Risiko für hormonempfindliche Krebsarten), entwicklungsbedingten (niedriges Geburtsgewicht, neurologische Entwicklungsstörungen wie erhöhte Angst und verändertes Sozialverhalten, potenzielle Entwicklungsprobleme bei Kindern und Föten) und metabolischen Störungen (Förderung von Fettbildung und Differenzierung von Fibroblasten zu Adipozyten, erhöhte Insulinresistenz und Beitrag zu Typ-2-Diabetes, Störung der Schilddrüsenhormon-Homöostase) in Verbindung gebracht wird. Außerdem werden immunologische Effekte (Modulation des Immunsystems, einschließlich der Förderung von entzündlichen Th17-Lymphozyten) beschrieben. Zudem zeigt BPA zeigt eine nichtmonotone Dosis-Wirkungs-Beziehung, bei der niedrige Dosen biologische Effekte hervorrufen können, die bei höheren Dosen nicht auftreten. Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen wie Föten, Säuglinge und Kinder, da selbst geringe hormonelle Schwankungen während kritischer Entwicklungsphasen langfristige physiologische Veränderungen hervorrufen. Regulierung BPA wird seit nunmehr über 20 Jahren weltweit zunehmend reguliert. Die Abb. 1: Beispiele für Bisphenol-A-abgeleitete Monomere: Bisphenol-A-Glycidylmethacrylat (Bis-GMA) und BisphenolA-Dimethacrylat (Bis-DMA). BPA (grün hervorgehoben) ist über eine Etherbindung (hellblauer Pfeil) in Bis-GMA in die Struktur eingebaut, die hydrolysebeständiger ist als die Esterbindung (dunkelblauer Pfeil) in Bis-DMA. Obwohl Bis-GMA ebenfalls eine Esterbindung (dunkelblauer Pfeil) enthält, die die Glycidylgruppe mit dem Methacrylatteil verbindet, ist ihre Spaltung weniger bedeutsam, da sie nicht zur Freisetzung von freiem BPA führt. Foto: [Tichy et al., 2025] zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1614) Univ.-Prof. (a.D.) Dr. med. dent. Elmar Hellwig Erzherzogstr. 8, 79102 Freiburg Foto: privat

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