ZAHNMEDIZIN | 65 Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit riet 2023 zu einer täglich tolerierbaren Aufnahmemenge von höchstens 0,2 ng/kg Körpergewicht. Allerdings basierte diese Empfehlung nicht auf Studien zur Toxizität von BPA beim Menschen. Dennoch übernahm die Europäische Kommission 2024 die Empfehlung und verbot die Verwendung von BPA für Materialien, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen. Obwohl die Freisetzung von BPA aus dentalen Materialien im Vergleich zu anderen Quellen (etwa Lebensmittelverpackungen) gering ist, sollte sie nicht vernachlässigt werden. Strengere Kontrollen könnten auch für dentale Materialien folgen. Vorkommen in dentalen Materialien BPA findet sich in harzbasierten Kompositen, Adhäsivsystemen, HybridGlasionomerzementen und harzbasierten Versiegelungen, aber auch in kieferorthopädischen Materialien wie Alignern oder in Polycarbonaten, die als Alternative zu Polymethylmethacrylat für provisorische Kronen und Schienen dienen. Dabei hängt die BPA-Freisetzung von der Materialzusammensetzung, der Qualität der Polymerisation und den intraoralen Bedingungen ab. Organische Medien fördern die Freisetzung stärker als wässrige Lösungen. In-vitro-Studien zeigen, dass BPA in geringen Mengen freigesetzt wird, wobei die Freisetzung mit der Zeit abnimmt. In-vivo-Studien bestätigen vorübergehende Erhöhungen von BPA in Körperflüssigkeiten nach der Anwendung von dentalen Materialien, jedoch kehren die Werte meist innerhalb von 24 Stunden zurück. Minimierung der Exposition Es gibt mehrere Ansätze und Alternativen, um BPA in zahnmedizinischen Materialien zu ersetzen oder dessen Freisetzung zu minimieren. Hersteller haben Produkte entwickelt, die als „BPA-frei“ gekennzeichnet sind. Diese enthalten keine BPA-abgeleiteten Monomere wie Bis-GMA oder Bis-DMA und zeigen eine deutlich geringere BPA-Freisetzung. Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von Ormoceren (organisch modifizierte Keramiken). Das sind Materialien mit einer völlig anderen Monomerstruktur. Sie bestehen aus Siliciumdioxid-Domänen, die mit polymerisierbaren (Meth)acrylat-Gruppen verbunden sind. Sie wurden entwickelt, um Polymerisationsschrumpfungen zu reduzieren und gelten als vielversprechende Alternative für die Entwicklung neuer Monomere, die BPA ersetzen können, ohne die mechanischen und die chemischen Eigenschaften der Materialien zu beeinträchtigen. Auch der Einsatz klinischer Techniken wie die Verwendung von Glycerin-Gel zur Reduktion der Sauerstoff-inhibierten Schicht können die Freisetzung von Monomeren, die zu BPA abgebaut werden könnten, minimieren. Zudem spielt die Optimierung der Polymerisation durch geeignete Lichtquellen, eine ausreichende Belichtungsdauer und die korrekte Anwendung eine wichtige Rolle. Damit kann die Menge an verbleibenden Monomeren, die zu BPA abgebaut werden könnten, reduziert werden. Polycarbonate haben den Autoren zufolge den höchsten BPA-Gehalt, da sie durch die Polymerisation von BPA und Phosgen synthetisiert werden. Deshalb kann der Ersatz von Polycarbonaten durch andere Materialien für Provisorien, Schienen oder Kronen die BPAExposition vermeiden. Diese Alternativen und Strategien sind besonders wichtig für Risikogruppen wie Kinder und Schwangere, bei denen die Exposition gegenüber BPA minimiert werden sollte. Fazit Die Freisetzung von BPA aus dentalen Materialien ist gering und die Interpretation der bislang publizierten Ergebnisse ist schwierig, weil die angewandten Methoden sehr heterogen sind. Andererseits ist sie aufgrund der potenziellen Gesundheitsrisiken und der nichtlinearen Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht unbedeutend. Es ist davon auszugehen, dass es möglicherweise wie beim Amalgam in der Öffentlichkeit zu nicht immer wissenschaftlich fundierten Diskussionen kommen wird. Zahnärztinnen und Zahnärzte sollten daher informierte Entscheidungen treffen und bewährte klinische Praktiken anwenden, um die Exposition zu minimieren. Zukünftige Forschung und Innovationen sind entscheidend, um sicherere Materialien zu entwickeln. Studie: Tichy A, Srolerova T, Schwendicke F: Release of Bisphenol A from Dental Materials: Risks and Future Perspectives. J Dent Res. 2025 Sep;104 (10):10511060. doi: 10.1177/00220345251337728. Epub 2025 Jun 16. PMID: 40524375; PMCID: PMC12301515. zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1615) AUS DER WISSENSCHAFT In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung. Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern: Univ.-Prof. (a.D.) Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (bis 31.12.2023) Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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