Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1618) 68 | GESELLSCHAFT innerhalb von drei Einsätzen rund 350 Patientinnen und Patienten versorgen. Die Einsätze offenbarten ein alarmierendes Bild, das ans Versorgungsniveau in Deutschland in den 1970er-Jahren erinnerte. So sahen wir Kinder und Jugendliche, die häufig multiple kariöse Läsionen sowohl im Milch- als auch im Wechselgebiss aufwiesen. Bei erwachsenen Patienten zeigten sich zahlreiche unbehandelte Zahndefekte, Wurzelreste und nicht versorgte Zahnlücken. Die prothetische Versorgung war insuffizient oder gar nicht vorhanden. Und noch etwas fiel uns auf: Um die allgemeine Mundgesundheit vieler Patienten stand es nicht gut. Es zeigten sich viele mit einer völlig unzureichenden Mundhygiene, da Präventionsprogramme fehlten und kaum Zugang zu regelmäßiger zahnärztlicher Betreuung bestand. Die strukturellen Ursachen sind vielschichtig. In einer Region mit etwa 45.000 Einwohnern steht nur eine Zahnärztin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung. Ergänzend existieren wenige private Zahnarztpraxen, deren Leistungen sich jedoch die meisten Menschen nicht leisten können. Ziel ist eine mittel- bis langfristige Versorgungsstabilität Die Erfahrungen in Polen machen deutlich, dass zahnärztliche Nothilfe im Katastrophenkontext nicht nur eine kurzfristige Schmerz- und Infektionskontrolle darstellt, sondern auch eine Frage der mittel- und langfristigen Versorgungsstabilität ist. Ein zentrales Ergebnis dieser Einsätze ist die Erkenntnis, dass Katastropheneinsätze zwingend eine durchdachte Exit-Strategie benötigen. Während klassische Searchand-Rescue-Teams ihre Arbeit nach der Akutphase beenden, bleiben medizinische und insbesondere zahnmedizinische Probleme oft bestehen. Deshalb müssen rotierende Teams über einen längeren Zeitraum vor Ort präsent bleiben, um den Wiederaufbau der zahnmedizinischen Infrastruktur zu begleiten und die Bevölkerung kontinuierlich zu versorgen. Die polnischen Einsätze bestätigen die grundsätzliche Relevanz der Zahnmedizin in Katastrophenszenarien: „ Akutmedizinisch: Versorgung von Schmerzen, Infektionen und Traumata im Kiefer-Gesichtsbereich „ Gesundheitspräventiv: Vermeidung von Folgeerkrankungen durch unbehandelte Infektionen „ Infrastrukturell: Sicherstellung einer Grundversorgung auch bei zerstörter lokaler Infrastruktur „ Gesellschaftlich: Wiederherstellung der Lebensqualität und Belastbarkeit der Betroffenen, um den Alltag in der Katastrophensituation bewältigen zu können Fazit und Ausblick Die Integration der Zahnmedizin in den Katastrophenschutz ist nicht nur sinnvoll, sondern essenziell. Das Beispiel unseres Dental EMT im Glatzer Kessel verdeutlicht, dass Zahnmedizin im Katastrophenkontext zwei komplementäre Funktionen erfüllt: die akute Behandlung unmittelbar nach der Katastrophe und die Unterstützung beim Wiederaufbau einer funktionierenden Versorgungsstruktur. Für die Zukunft ist es entscheidend, zahnmedizinische Einsatzteams systematisch in nationale und internationale Katastrophenschutzstrukturen einzubinden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass auch in Krisen- und Katastrophensituationen eine umfassende medizinische Versorgung gewährleistet bleibt. „ Unsere Kollegen Dr. Ulrich Reichermeier und Dr. Wilhelm Scheidtmann bei der Versorgung von unbehandelten Zahndefekten. Foto: Dental EMT WIR BRAUCHEN HELFER UND SPENDEN Zahnärztinnen und Zahnärzte mit einer deutschen Approbation können sich mit einem einfachen Verfahren beim Verein Dental EMT bewerben. Die Einsätze dauern mindestens eine Woche, gerne auch länger. Die Einsatzorte werden kurzfristig – je nach Bedarf – bekanntgegeben und dann von den Teams angefahren. Das Dental EMT benötigt Unterstützung in Form von Einsätzen, Material oder Geldspenden. Durch den Status des eingetragenen gemeinnützigen Vereins kann eine Spendenquittung ausgestellt werden. Für Fragen stehen die Mitglieder jederzeit bereit. Infos unter: www.dental-emt.or Spendenkonto Dental Emergency Team IBAN: DE35 3006 0601 0007 6168 41 BIC: DAAEDEDDXXX Für den Erhalt einer Spendenquittung bitte Name und Adresse bei „Verwendungszweck“ angeben. rg.

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