Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

ZAHNMEDIZIN | 77 min lag das Ergebnis der histopathologischen Begutachtung vor. Hierbei bestätigte sich der Verdacht einer Epidermalzyste. Diskussion Entfernungen von Epidermalzysten im Kopf-Hals-Bereich gehören zu den Standardeingriffen in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Dabei gelten Epidermalzysten als gutartige, echte Zysten, die häufig – insbesondere in den Bereichen des Gesichts, des Nackens und des Rumpfes – auftreten [Elder, 2020]. Sie wachsen langsam und sind in der Regel von einem Haarfollikel ausgehend. In seltenen Fällen können jedoch auch atypische Lokalisationen auftreten [Graham-Brown, 2016; Elder, 2020]. Der Großteil der Patienten weist lediglich eine oder wenige Epidermalzysten auf. Bei einigen syndromalen Erkrankungen, wie dem Gardner-Syndrom, können jedoch multiple Zysten auftreten [GrahamBrown, 2016; Suh et al., 2017]. Im histologischen Schnitt weist der Zystenbalg eine epidermale Schichtung auf. Das Zystenlumen ist mit einer Hornmasse gefüllt [Elder, 2020]. Die Therapie der Wahl besteht in der chirurgischen Entfernung der kompletten Zyste im entzündungsfreien Zustand [Graham-Brown, 2016]. Häufig treten die Epidermalzysten jedoch erstmals bei einer akuten Infektion in Erscheinung. In diesem Stadium kann die Zyste nicht entfernt werden. Zuvor muss die Inzision mit antibiotischer Therapie oder eine intraläsionale Steroidinjektion erfolgen. Als Alternative zur chirurgischen Entfernung kann den Patienten eine Laserung der Epidermalzysten angeboten werden. Dabei erfolgt jedoch nur eine Zystostomie ohne Entfernung des kompletten Zystenbalgs. Auch eine histologische Untersuchung zur Abgrenzung weiterer Entitäten ist dann erschwert, da eine komplette Aufarbeitung nicht möglich ist. Ebenso kann durch die thermische Denaturierung des Lasers die richtige Diagnose im histopathologischen Schnitt verkompliziert werden [Feng und Ma, 2015]. Die Prognose stellt sich bei Resektion in toto als äußerst günstig dar. Falls ein Rest belassen wird, kann es im Verlauf zu einem Rezidiv kommen. Am dargestellten Fall wird deutlich, dass eine vermeintlich leichte Zystenentfernung, die in vielen Fällen durchaus komplett ambulant durchgeführt werden kann, je nach Lokalisation und Ausdehnung eine invasive und interdisziplinäre Behandlung inklusive Trepanation der Schädelkalotte benötigen kann. Obwohl seit Oktober 2024 die S1Leitlinie „Bildgebende Diagnostik von Hauterkrankungen“ [Deutsche Dermatologische Gesellschaft, 2024] existiert, bezieht sich diese jedoch nicht auf Zysten. Die Diagnostik erfolgt in der Regel klinisch oder bildmorphologisch mittels Sonografie oder MRT. Bei Zysten, die anamnestisch seit Geburt bestehen und/oder eine rasche Progredienz aufweisen, sollte immer eine Bildgebung erfolgen. Dies dient nicht nur zur besseren Planung des chirurgischen Vorgehens, sondern auch zur Differenzialdiagnostik. Im beschriebenen Fall wies die Zyste ebenfalls eine Fistelung nach intrakraniell auf. Die Entfernung im Ganzen erfordert eine interdisziplinäre Versorgung sowohl durch die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie als auch die Neurochirurgie. Hätte eine präoperative Bildgebung nicht stattgefunden, wäre dies mit einem Abbruch der Operation oder gar schwerwiegenderen intraoperativen Komplikationen verbunden gewesen. Eine derartige Fistelung nach intrakallotär ist in der aktuellen Literatur bislang nicht beschrieben, so dass eine vollständige Aufarbeitung durch die Kollegen der Pathologie zur Diagnosesicherung unabdingbar ist. Eine andere Therapie als die chirurgische Sanierung in toto ist somit nicht möglich. Fazit Vermeintlich harmlose und häufige Zysten können komplexe Befunde mit interdisziplinärem Handlungsbedarf darstellen. Hierfür ist bei atypischer Anamnese und ungewöhnlichem Krankheitsverlauf eine Bildgebung indiziert. Dies erhöht intraoperativ die Sicherheit sowohl für den Patienten als auch für den Operateur. n zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1627) Dr. med. Lars Grimm Assistenzarzt für MKG-Chirurgie Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hölzle Chefarzt und Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen PD Dr. med. Dr. med. dent. Mark Ooms Oberarzt für MKG-Chirurgie Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Dr. med. Dr. med. dent. Ralf Kettner Gemeinschaftspraxis Dr. Dr. R. Kettner, Dr. G. Stockbrink, Dr. Dr. N. Ayoub, Priv.-Doz. Dr. Dr. A. Zeller M.Sc., Theaterstr. 61, 52062 Aachen Foto: Gemeinschaftspraxis Kettner, Stockbrink, Ayoub, Zeller

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