82 | GESELLSCHAFT INTERVIEW MIT DR. MIRIAM ALBERS UND PROF. DR. KONRAD FÖRSTNER ZU OLSPUB, DEM EUROPÄISCHEN PUBMED „Das, was gerade passiert, ist bereits ein erster Worst Case“ Global gesammelte Erkenntnisse aus der Gesundheitsforschung, Daten, Studien und Publikationen sind in Gefahr, warnen Fachleute. Alternativen zu US-amerikanischen Recherchetools sollten für Deutschland und Europa dringend entwickelt werden. Eine Alternative zu PubMed könnte OLSPub sein. Die neue Datenbank von ZB MED soll einen möglichst nahtlosen Ersatz bieten im Fall von Einschränkungen in der Verfügbarkeit von PubMed. Auch soll die gewohnte Suchoberfläche von PubMed so weit wie möglich nachgebildet werden. Ein ziemlich großes Projekt, das sich hinter „OLSPub – Open Life Science Publications Database“ verbirgt, oder? Dr. Miriam Albers: Das stimmt! Und das Projekt OLSPub steht auch noch am Anfang. Nach 18 Monaten planen wir, die Suchoberfläche zur Verfügung stellen zu können, über die zum einen die bis zu einer (möglichen) Einschränkung von PubMed zugänglichen PubMed-Daten, zum anderen neue Daten aller Zeitschriften, die aktuell in der Datenbank MEDLINE – als Hauptbestandteil von PubMed – vorhanden sind. Dazu sollen die Artikel auch mit den Medical Subject Headings (MeSH), also standardisierten Schlagwörtern, versehen sein. PubMed vereint noch viele andere Quellen wie das Open-AccessRepositorium PubMed Central (PMC) oder sogenannte Out-of-Scope-Artikel. Diese werden wir dann erst in einem nächsten Schritt versuchen nachzubilden, wenn dies überhaupt erforderlich sein sollte. Wichtigster Punkt des Projekts ist, dass alles, was wir tun, Open Source sein wird und die Community eine große Rolle spielen wird. Das heißt, wir werden gemeinsam mit der Community entwickeln, bereits bestehende Lösungen berücksichtigen und zusammen die nächsten Schritte planen. Gemeinsam auf vielen Schultern wird das Projekt damit schaffbar. Was ist das Ziel von OLSPub? Prof. Dr. Konrad Förstner: Unser Ziel ist es, – so schnell wie möglich – eine Verbesserung der Resilienz der medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Forschung durch die Bereitstellung eines Zugangs zu einer stabilen und zuverlässigen (Open-Source-) Alternative von PubMed zu erreichen. Wir generieren sozusagen eine Versicherung, dass keine Lücke entsteht, sollte diese Ressource nicht mehr verfügbar sein. Crossref stellt bereits einige Metadaten bereit, allerdings fehlen dort beispielsweise Abstracts. Um diese Daten zu bekommen, müssen Sie sich an die Verlage wenden. Wie ist die Kooperationsbereitschaft der Verlage? Albers: Die Kooperationsbereitschaft ist grundsätzlich vorhanden, jedoch im Detail natürlich unterschiedlich ausgeprägt. Sehr positiv verläuft die Zusammenarbeit mit Open-AccessVerlagen. Hier ist vor allem Frontiers hervorzuheben, die sich auch politisch für das Projekt einsetzen. Besonders gefreut hat uns der Letter of Support des großen deutschen Wissenschaftsverlags Springer Nature. Das ist wirklich ein tolles Commitment. Viele andere Verlage haben uns rückgemeldet, dass sie abwarten, ob wir mit unserem Projekt eine Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, kurz DFG, erreichen. Danach wären weitere Gespräche gerne möglich. Grundsätzlich haben die Verlage aber ein großes Interesse daran, bei Initiativen wie OLSPub vertreten zu sein. Denn das ermöglicht es ihnen, ihre eigenen Produkte zu geringen Kosten zu vermarkten. Warum ein neues System, warum werden nicht bestehende Systeme wie Europe PMC oder OpenAlex genutzt? Albers: Wie viele andere auch bauen Europe PMC und OpenAlex auf den Daten von PubMed auf und sind auf die Verfügbarkeit dieser Daten angewiesen – das gilt auch für unseren Discovery Service LIVIVO. PubMed ist die einzige Quelle und somit der Single-Point-ofFailure! Zudem stehen diese Systeme leider nicht Open Source zur Verfügung. Mit EMBL-EBI als Betreiber von Europe PMC stehen wir in regelmäßigem Kontakt und sie unterstützten OLSPub auch durch einen Letter of Support. Eine Zusammenarbeit ist aufgrund der offenen Struktur unseres Projektplans zu jedem Zeitpunkt sehr gerne möglich. Der Mehraufwand für eine Open-SourceLösung muss natürlich auch durch einen Austausch mit der Community abgestimmt werden. Dieser Mehraufwand wird von anderen Anbietern anscheinend gescheut. zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1632) Dr. Miriam Albers leitet kommissarisch den Programmbereich Bibliothek der ZBMED. Fotos: ZB MED/Eric Lichtenscheidt Prof. Dr. Konrad Förstner leitet den Programmbereich Data Science and Services der ZB MED.
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