Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

GESELLSCHAFT | 83 Global gesammelte Erkenntnisse aus der Gesundheitsforschung, Daten, Studien und Publikationen sind in Gefahr. Welche Unterstützung erhalten Sie von der Politik? Förstner: Bislang leider keine. Die Politik hat die Problematik erkannt, aber bislang noch keine Vorschläge für Maßnahmen oder für Handlungsalternativen gemacht. Wir sind hier natürlich offen für Gespräche und würden uns für Medizin und Lebenswissenschaften natürlich in der Pflicht sehen, um Daten und Studien zu sichern. LIVIVO ist ein Service der ZB MED und enthält bereits jetzt die Daten von PubMed. Wie wird mit LIVIVO verfahren – läuft es parallel oder wird es integriert? Förstner: LIVIVO hat einen anderen Fokus als PubMed. LIVIVO enthält als Portal, das auf die deutschen Lebenswissenschaften fokussiert ist, auch deutsche Publikationen, agrar-, ernährungs- und umweltwissenschaftliche Literatur und natürlich alle Medien, die ZB MED selber besitzt. LIVIVO läuft daher parallel. Möglicherweise werden die Systeme zu einem späteren Zeitpunkt integriert, in etwa zwei bis fünf Jahren. Aber auch dann wird eine reine OLSPub-Variante immer verfügbar sein. Ansonsten ist es ein großer Vorteil, dass wir für LIVIVO bereits Techniken entwickelt haben, die für OLSPub nachgenutzt werden können. Weiterhin betreiben wir in genau diesen Bereichen Forschung, die sich natürlich sowohl auf LIVIVO als auch auf OLSPub auswirken wird. Gerade im Bereich der Nutzung der MeSH-Begriffe habenwir langjährige Erfahrung. Wie erfolgt die Auswahl der zu indexierenden Zeitschriften? Albers: Uns geht es um eine OpenSource-Kopie von PubMed. Das heißt, zunächst werden in der Projektlaufzeit nur die Titel ausgewählt, die aktuell auch Teil der Datenbank MEDLINE sind. Wir werden während der Laufzeit des Projekts aber ein Editorial Board aufbauen, das – für den Fall, dass PubMed eingeschränkt werden sollte – auch über die Indexierung neuer Journals entscheidet. Bis dahin laufen die Systeme aber parallel. Übrigens ist so eine parallele Haltung von kritischen Systemen in den Lebenswissenschaften üblich, zum Beispiel bei Genom-Datenbanken. Nur bei Literaturdatenbanken schien es bislang nicht erforderlich. In anderen Bereichen wie zum Beispiel bei unserer Publikationsplattform German Medical Science arbeiten wir bereits mit Editorial Boards zusammen. Auch haben viele unserer Projekte Scientific Advisory Boards. Solche Strukturen sind notwendig, um langfristig tragfähige Entscheidungen zu fällen. Werden auch europäische Preprints und Open Peer Reviews in die Datenbank aufgenommen? Förstner: Zu einem späteren Zeitpunkt ist das geplant – als Ergänzung. Falls PubMed – was wir sehr hoffen – inder aktuellen Qualität erhalten bleibt, würden wir das aufgebaute System gerne nutzen, um zum Beispiel klinische Studien in europäischen Landessprachen zu integrieren. Diese Integration würde immer so umgesetzt, dass zu jedem Zeitpunkt eine reine PubMedKopie genutzt werden kann. Obwohl EuropePMC hier das Vorzeigeprojekt ist, gefördert vom European Research Council, planen wir für unser Projekt noch mehr Austausch auf europäischer Ebene, das heißt Kontakte und Zusammenarbeit in die europäischen Communitys und mit europäischen Publishern, eventuell eben auch über Inhalte, die nicht nur in Englisch verfasst sind. In welchem Zeitrahmen bewegen wir uns? Wann ist mit einer OLSPub-Datenbank zu rechnen? Förstner: Unser Zeitplan ist in unserem veröffentlichten Projektantrag ersichtlich. Danach planen wir eine erste Version für Testzwecke neun Monate nach Projektstart. Unserer Grundphilosophie für Offenheit und Transparenz folgend, haben wir – unüblicherweise – unseren Projektantrag gleichzeitig mit der Einreichung bei der DFG auf demoffenen Repositorium Zenodo veröffentlicht. Die Entscheidung zum Projektstart hängt nun von den Gremien der DFG ab. Hier wurde uns zugesagt, dass eine Entscheidung frühestens Ende September und spätestens Ende Dezember getroffenwird. Sie bereiten sich auf das Worst-CaseSzenario – das Abschalten von PubMed – vor. Für wie realistisch halten Sie dieses Szenario? Albers: Aus unserer Sicht ist das, was gerade passiert, bereits ein erster Worst Case. Die Medizinerinnen und Mediziner beschäftigen sich damit, nach Alternativen zu PubMed zu suchen, regelmäßig zu überprüfen, ob PubMed noch mit allen Inhalten verfügbar ist und sich über ihre Befürchtungen auszutauschen. Alleine dadurch entsteht wirtschaftlicher und innovativer Schaden. Überlegen Sie sich mal, was da an Zeit zusammenkommt, die sonst für Forschung verwendet werden könnte! Unabhängig davon leben wir aktuell in einer Welt, in der vorher nicht vorstellbare Szenarien wie Kriege, Umweltkatastrophen, politische Entscheidungen oder Stromausfälle eben passieren. In diesem Umfeld keine Absicherung zu PubMed, als zentrale Datenbank für die Medizin und Lebenswissenschaften, zu haben, ist schlicht fahrlässig. Das Interview führte Navina Bengs. Mehr Informationen zum Projekt OLSPub finden Sie unter www.zbmed.de/ forschen/laufende-projekte/olspub zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1633) OLSPUB – EINE ALTERNATIVE ZU PUBMED? ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, kurz ZB MED, ist das nationale Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Daten und Informationen. Das Institut hat sich zum Ziel gesetzt eine offene, zuverlässige und nachhaltige Alternative zur PubMed-Datenbank zu entwickeln. Diese alternative Datenbank, genannt OLSPub, soll zum einen die derzeit verfügbaren PubMed-Inhalte bereitstellen und zum anderen einen technischen und administrativen Rahmen für kontinuierliche Erweiterungen durch neue Publikationen bieten. Das Projekt steht noch am Anfang, ein erster Meilenstein konnte jedoch schon erreicht werden: Die aktuellen Inhalte von PubMed konnten bereits gesichert und über das ZB MED-Suchportal LIVIVO zugänglich gemacht werden.

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