18 | POLITIK dies in Form eines stetig im Umfang gewachsenen und mittlerweile völlig aufgeblähten Fünften Sozialgesetzbuchs“, kritisierte Gassen. Zwar seien die Körperschaften an der auch von den Praxen gefühlten übermäßigen „Kontrollitis“ nicht unbeteiligt, räumte Gassen ein, im Gegenteil. Das liege aber daran, dass sie am Ende umsetzen müssen, was die Politik vorgibt. „Und diese Vorgaben werden immer kleinteiliger, so dass das entscheidende Wörtchen 'Selbst' in Selbstverwaltung immer mehr zur Makulatur wird“, machte Gassen klar. Die sprichwörtliche Praxis um die Ecke sei für die Menschen ein hohes Gut, das in Deutschland zur gesellschaftlichen Grundausstattung gehöre, und das wohl niemand missen wolle. In der hiesigen gesundheitspolitischen Debatte rede man allerdings fast immer nur von den Krankenhäusern. „Aber der tagtägliche Löwenanteil der Versorgung findet in den Praxen der Niedergelassen statt“, stellte Gassen klar. „Das sollten die politisch Verantwortlichen nie aus dem Blick verlieren.“ Das Wörtchen „Selbst“ wird immer mehr zur Makulatur Dabei war es vom Gesetzgeber ursprünglich ganz anders gedacht, erinnerte der KZBV-Vorsitzende Martin Hendges: „Der Staat gibt zwar die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Aufgaben vor, die gesetzlichen Krankenkassen sowie die Leistungserbringer organisieren sich jedoch selbst in Verbänden, die in eigener Verantwortung die medizinische Versorgung der Bevölkerung übernehmen", zitierte er die Regelung gemäß der Homepage des BMG. Die sich spontan anschließende Frage, ob diese Definition heute noch uneingeschränkt gilt, müsse man mit Blick auf die immer wiederkehrenden Angriffe auf die Selbstverwaltung allerdings mit Nein beantworten. „Es würde vollkommen den Rahmen sprengen, die zahlreichen Gesetze anzusprechen, durch die die ursprünglich weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung eingeschränkt und durch kleinstteilige gesetzliche Regelungen substituiert worden sind“, betonte Hendges. „Auch Körperschaften als Lobbygruppen zu bezeichnen, wie in der vergangenen Legislaturzm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1664) „Wir sind die Experten für Versorgung“, stellte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen klar. Foto: David Ausserhofer KASSENARZTRECHT LEGTE DEN GRUNDSTEIN 1955 verständigten sich Politik, Kassen sowie Ärzte- und Zahnärzteschaft auf einen tragfähigen Kompromiss: Das Gesamthonorar sollte sich von nun an am Leistungsvolumen der Mediziner orientieren. Dafür verzichteten die Ärzte und Zahnärzte auf das Streikrecht und akzeptierten eine verbindliche Schlichtung durch Schiedsämter. Mit der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat am 7. und 8. Juli zum Gesetz über das Kassenarztrecht wurde die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen in Deutschland formal gestärkt, indem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) als Körperschaften anerkannt wurden. Das neue Recht stützt sich in vielerlei Hinsicht auf Vereinbarungen von 1931/32: Im Januar 1932 nahmen die KVen und KZVen ihre Arbeit auf. Per Notverordnung des Reichspräsidenten hatte die Regierung zuvor deren Gründung beschlossen. Seitdem schließen die KVen und KZVen mit den Krankenkassen beziehungsweise KBV und KZBV mit dem GKV-Spitzenverband sogenannte Kollektivverträge. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung obliegt es den KVen und KZVen, die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung sicherzustellen, die Rechte der Ärzte und Zahnärzte gegenüber den Krankenkassen zu wahren, Verträge auszuhandeln und das Gesamthonorar auf die Mitglieder zu verteilen. Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesanzeiger Verlag „Gesetzgeberisch geht es darum, dass die Politik die Selbstverwaltung unterstützt und entlastet.“ Staatssekretär Tino Sorge (CDU), der auf der Abendveranstaltung die erkrankte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken vertrat. „Wir sind nicht der Bremsklotz im System, keine bloßen 'Lobbyisten' – wir wollen helfen, denn das ist unser Auftrag. Man muss uns nur lassen.“ KBV-Vorsitzender Dr. Andreas Gassen
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