Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

24 | ZAHNMEDIZIN Klinisch können sich beide Entitäten durch papilläre oder verruköse Strukturen präsentieren, was die Abgrenzung insbesondere bei oberflächlichen Biopsien erschweren kann. Verruköse Karzinome zeichnen sich durch ein exophytisches Wachstum bei teilweise nur geringer zellulärer Atypie aus, so dass histologische Fehleinschätzungen gerade in Frühstadien nicht selten sind [Peng et al., 2016]. Das orale Papillom ist definiert als benigner Tumor des hyperplastischen Plattenepithels, der klinisch als exophytische, schmerzlose, asymptomatische Weichgewebsläsion mit typischerweise blumenkohlartiger Oberfläche imponiert. Histologisch zeigt sich ein hyperplastisches Plattenepithel mit papillären Strukturen. Diese Läsionen wachsen langsam, sind in der Regel klinisch unauffällig und lassen sich durch vollständige chirurgische Entfernung kurativ behandeln [Andrei et al., 2022]. Die Pathogenese oraler plattenepithelialer Papillome ist häufig mit einer Infektion durch humane Papillomviren (HPV) assoziiert, vor allem mit den Low-riskTypen HPV-6 und HPV-11 [Rajaram Mohan et al., 2023; Benyo et al., 2021]. Papillome treten in unterschiedlichen anatomischen Regionen auf, darunter Mundschleimhaut, Haut, Konjunktiva, Harnblase und die Anogenitalregion. Allen gemeinsam ist ihre Ätiologie als benigne hyperplastische Epithelproliferationen, mit nur sehr seltener maligner Transformation, die in der Regel kein relevantes klinisches Risiko darstellt [Andrei et al., 2022]. Demgegenüber ist das orale Plattenepithelkarzinom ein invasiver, maligner Tumor mit einer Fünf-JahresÜberlebensrate zwischen 40 und 60 Prozent bei Betrachtung aller Tumorstadien gemeinsam. Für die Prognose sind insbesondere Tumorgröße, Infiltrationstiefe, Resektionsränder und der Lymphknotenstatus entscheidend [Zanoni et al., 2019]. Im dargestellten Fall war die histopathologische Beurteilung trotz klinisch kontinuierlicher Progredienz zweimalig ohne Malignitätsnachweis. Dies verdeutlicht die Limitation von Probeexzisionen heterogener Läsionen mit fälschlicherweise suggerierter Sicherheit bei zugrunde liegendem malignem Geschehen. Verruköse Karzinome weisen histologisch große Überschneidungen mit benignen Papillomen auf und imponieren über weite Strecken papillomatös, so dass oberflächliche Biopsien nicht immer repräsentativ sind [Pal et al., 2023]. Erst die Untersuchung des Gesamtpräparats nach vollständiger Exzision offenbarte ein 5 cm großes verruköses Plattenepithelkarzinom. Damit handelte es sich nicht um eine maligne Transformation eines Papilloms, sondern vielmehr um eine diagnostische Limitation der initialen Biopsien. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die vom Patienten gewählte alternativmedizinische Behandlung mit homöopathischen Präparaten, die trotz Progredienz fast ein Jahr fortgeführt wurde und zu einer relevanten Verzögerung der leitliniengerechten Therapie führte. Eine verspätete Diagnose oder Therapieeinleitung des oralen Plattenepithelkarzinoms resultiert in einer signifikanten Verschlechterung von Prognose, Therapieausmaß und Lebensqualität [Zanoni et al., 2019]. Verzögerungen führen nicht nur zu einer Ausbreitung des Tumors, sondern machen oftmals komplexere Resektionen zm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1670) Abb. 4: Intraoperative Darstellung des Papilloms (a), das fast bis an die Mittellinie heranreicht (b), sowie des nach Resektion fixierten und markierten Tumors (c) Fotos: Universitätsmedizin Mainz ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. a b

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