Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

KI FÜR DIE ZAHNMEDIZIN TEIL 2 28 | ZAHNMEDIZIN KI FÜR DIE ZAHNMEDIZIN – TEIL 2: MUNDSCHLEIMHAUTVERÄNDERUNGEN Mundschleimhautdiagnostik mit künstlicher Intelligenz Tabea Flügge, Falk Schwendicke Bei Mundschleimhautveränderungen ist es oft schwer, zwischen benignen und malignen Läsionen zu unterscheiden. Eine präzise Diagnostik kann jedoch wegen der ungleich besseren Prognose frühzeitig entdeckter Mundhöhlenkarzinome lebensrettend sein. Darum wird intensiv daran geforscht, wie man mithilfe künstlicher Intelligenz Krankheiten besser erkennen kann. Mundschleimhautveränderungen sind ein häufiges klinisches Problem und reichen von spontanen und schnell abklingenden Befunden bis zu malignen Tumoren. Die Prävalenz von Mundschleimhautveränderungen wird in der Allgemeinbevölkerung auf 4,9 bis 21 Prozent geschätzt [Rokshad et al., 2024]. Relevant sind insbesondere Vorläuferläsionen von Mundhöhlenkarzinomen, zu denen vor allem Leukoplakien, Erythroplakien und oraler Lichen planus zählen. Je nach Entität variieren die Transformationsraten zwischen ein bis zwei Prozent bei Lichen planus und 30 bis 50 Prozent bei Erythroplakie [Warnakulasuriya, 2020]. Die präzise Diagnostik von Vorläuferläsionen und Mundhöhlenkarzinomen ist entscheidend für Patientinnen und Patienten, da die Fünf-JahresÜberlebensrate bis zu 90 Prozent bei früher Diagnose und Therapie beträgt und oft unter 50 Prozent in späten Stadien fällt [Coca-Pelaz et al., 2017]. In Deutschland wird die Mehrzahl der Mundhöhlenkarzinome in späten Stadien diagnostiziert und behandelt [Robert Koch-Institut, 2023]. Wie läuft die Diagnose aktuell? Die Diagnostik von Mundschleimhautveränderungen erfolgt primär durch die klinische Inspektion und Palpation. Auffällige Befunde werden zur Sicherung histopathologisch abgeklärt, was den Goldstandard darstellt [Speight et al., 2018]. Die diagnostische Genauigkeit der visuellen Inspektion ist begrenzt und die Unterscheidung von benignen und potenziell malignen Läsionen häufig nicht leicht. Spezialisten für orale Medizin erreichen höhere diagnostische Genauigkeiten, sind aber nicht flächendeckend verfügbar. Die Herausforderung besteht darin, dass Vorläuferläsionen oft unspezifisch erscheinen, während sich entzündliche Läsionen visuell nur schwer von malignen Veränderungen differenzieren lassen. Der gezielte Einsatz von Biopsien und histopathologischen Untersuchungen wird dadurch erschwert. Deren präziser Einsatz durch eine klinische Vorselektion könnte die Früherkennung und damit den Krankheitsverlauf für Patienten verbessern. Wie kann KI die Früherkennung unterstützen? KI bietet die Möglichkeit, Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Früherkennung von Mundschleimhautveränderungen zu unterstützen. Insbesondere Deep-Learning-Ansätze, meist in Form von sogenannten Convolutional Neural Networks (CNN) oder Vision Transformer-basierten Modellen werden auf Fotografien der Mundschleimhaut angewandt [Rokshad et al., 2024; Vinayahalingam et al., 2024]. KI–Algorithmen übernehmen dabei folgende Aufgaben: „ Klassifikation: Zuweisung eines Bildes zu einer Prädiktion „ Objekterkennung: Lokalisierung einer Läsion in einem Bild „ Segmentierung: Pixelgenaue Abgrenzung einer Läsion vom umgebenden Gewebe zm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1674) MEHR ZUR KI-SERIE Lesen Sie auch den ersten Teil der Serie KI für die Zahnmedizin: „Wie KI unseren klinischen Blick verzerren kann – Teil 1: Automatisierungs-Bias“, in der zm 17/2025, Seite 32, oder über den QR-Code. Prof. Dr. Tabea Flügge Charité Universitätsmedizin Berlin Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Campus Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin Foto: www.eventfotosberlin.de Univ.-Prof. Dr. Falk Schwendicke, MDPH Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und digitale Zahnmedizin LMU Klinikum Goethestr. 70, 80336 München Foto: Peitz/Charité

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