32 | GESELLSCHAFT DENTAL STREET DAY BERLIN Praxiseinsatz für Menschen ohne Zuhause Niedrigschwellig, angemessen und in enger Kooperation mit Streetworkern und Obdachlosenhilfen: Beim Dental Street Day in Berlin öffnen Zahnarztpraxen ihre Türen für wohnungslose Menschen. Mischa Ommid Steude, der die Aktion zusammen mit seinem Praxisteam „DIE PRAXIS" vor einem Jahr initiiert hat, und Dr. Steffi Ladewig, die dieses Jahr erstmalig mit ihrer Praxis mitgemacht hat, teilen hier ihre Erfahrungen. Herr Steude, warum haben Sie den Dental Street Day ins Leben gerufen? Hatten Sie ein Schlüsselerlebnis? Mischa Ommid Steude: In Berlin begegnet man wohnungslosen Menschen an vielen Orten — das gehört zur Großstadt. Als Zahnärztinnen und Zahnärzte haben wir eine besondere Verantwortung: Wir sind Mediziner, wir müssen empathisch sein und helfen können. Für mich war das der entscheidende Antrieb. Ich kann keine Häuser bauen, aber ich kann Zähne behandeln. Das ist meine Kompetenz — und die wollte ich für die Stadt, die ich liebe, einsetzen. Zahngesundheit hat großen Einfluss auf das Selbstbewusstsein und die gesellschaftliche Teilhabe. Akute Entzündungen, fehlende Zähne oder Schmerzen verhindern oft eine Rückkehr in ein geregeltes Leben. Mit relativ geringem Einsatz — die Praxis einen Tag schließen, Material- und Organisationskosten — können wir sehr viel bewirken. Für uns ist das kein unzumutbarer Aufwand, aber für die Betroffenen kann es einen echten Unterschied machen. Deshalb haben wir zusammen mit der Stiftung Dojo Cares sowie mit der Unterstützung von Karuna eG und der Berliner Obdachlosenhilfe e.V. diese Aktion gestartet: eine niedrigschwellige, würdige Hilfe, die fachliches Können einbringt und echte Chancen auf Resozialisierung schafft. Haben Sie im Vorfeld auch darüber nachgedacht, den Dental Street Day an einem öffentlichen Ort zu organisieren? Vielleicht in einem Park mit einer mobilen Behandlungseinheit? Ja, ursprünglich hatten wir die Idee, mit einer mobilen Einheit in Bahnhöfen oder sogar in der S-Bahn unterwegs zu sein, um Menschen dort zu erreichen, wo sie sind. Allerdings stieß das Vorhaben auf Sicherheits- und Organisationsprobleme, so dass wir uns für die Praxislösung entschieden haben. Wir wollten auch bewusst einen würdevollen, normalen Rahmen schaffen — keine provisorische Notversorgung in einer Unterkunft, sondern eine Praxisumgebung, in der wir unser komplettes Fachwissen anbieten können, von der Schmerzbehandlung bis zu komplexeren Leistungen. Das schafft Respekt, Normalität und bessere Behandlungsmöglichkeiten. Eine mobile Lösung wäre toll gewesen. Aus organisatorischen Gründen erschien uns die Praxis aber die bessere Wahl, auch um den Patientinnen und Patienten wirklich nachhaltig zu helfen. Welche Erkenntnisse gibt es von der Premiere im vergangenen Jahr? Wie viele Patienten konnten versorgt werden? Was waren die Herausforderungen? Wir sind ziemlich unbedarft an die Planung herangegangen und hatten uns auf einen hohen Andrang vorbereitet. Unter dem Dentalmikroskop wird ein Zahn bei einer wohnungslosen Frau für die Wurzelkanalbehandlung aufbereitet — sie hat bereits Folgetermine zur Anschlussversorgung. Foto: nl/zm zm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1678)
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