Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

44 | PRAXIS INTERVIEW MIT PROF. DR. ANDREAS FILIPPI ÜBER SPECIAL-NEEDS-PATIENTEN „Patienten mit speziellen Bedürfnissen gehören zum zahnärztlichen Alltag!“ „Es gibt mehr Patienten mit Special Needs als man denkt“, sagt Prof. Dr. Andreas Filippi. Im Interview erklärt er, vor welchen Herausforderungen Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Behandlung dieser Patientengruppe mit besonderen Anforderungen stehen und wie sie sich darauf vorbereiten können. Herr Prof. Filippi, welche Patientinnen und Patienten zählen zu den Special Needs? Wie häufig ist mit ihnen zu rechnen? Prof. Dr. Andreas Filippi: Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass ungefähr zehn Patienten pro Woche in die Zahnarztpraxis kommen, die besondere Aufmerksamkeit und Maßnahmen brauchen. Es geht um diejenigen, bei denen man nicht „einfach drauf los behandeln“ kann. Das betrifft neben Menschen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen viele weitere, wie Patienten mit psychischen oder chronischen Erkrankungen in Akutphasen, die häufig Mundtrockenheit haben, Menschen mit Essstörungen, deren Zähne oft stark geschädigt sind. Dann gibt es Personen mit AutismusSpektrum-Störungen (ASS), Traumata, Zahnarztangst oder ausgeprägtem Würgereiz, Multiallergiker oder generell Patienten unter Polypharmazie. Ebenso Schwangere, Ältere, Immobile, die man nicht einfach auf den Behandlungsstuhl bitten kann oder demenziell Erkrankte, die Informationen und Instruktionen nicht verstehen. Schließlich gibt es noch Patienten, bei denen der Zahnarzt aus religiöse Gründen beispielsweise auf das Knochenersatzmaterial oder die verwendeten Membranen achten muss. Zudem gibt es Menschen, die Metallfrei behandelt werden möchten. Wer kein Deutsch oder Englisch spricht, braucht einen Übersetzer. Ich würde auch Ausdauersportler und Menschen mit selektiven Ernährungsweisen dazu zählen, deren Trink- beziehungsweise Ernährungsgewohnheiten sich auf die Zahngesundheit auswirken können. Patienten mit speziellen Bedürfnissen sind in den letzten Jahren keinesfalls weniger geworden. Sie gehören damit über spezialisierte Praxen hinaus zum zahnärztlichen Alltag. Vor welchen Herausforderungen stehen Zahnärzte bei deren Behandlung? Das sind vor allem Kommunikationsprobleme bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen, aber eben auch die Herausforderungen an die Infrastruktur der Praxen – Stichpunkt Mobilität und Barrierefreiheit. Auch können Interaktionen mit zahnmedizinischen Medikamenten auftreten, wenn Patienten polypharmaziert sind. Bei Schwangeren müssen einige Besonderheiten berücksichtigt werden, unter anderem die Themen Ibuprofen und Vena-cavainferior-Syndrom (VCIS). Und dann gibt es Menschen mit Assistenzhunden oder Patienten im (Elektro-)Rollstuhl, bei denen man für Diagnostik und Therapie für alle Beteiligten eine Möglichkeit schaffen muss, dies bequem durchführen, etwa mithilfe eines Rutschbretts oder dem Wheelchair Recliner. Das alles stellt besondere Anforderungen an das Know-how einer zahnärztlizm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1690) Prof. Dr. Andreas Filippi ist Leiter der Klinik für Oralchirurgie Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel (info@andreas-filippi. ch). In seinem Buch „Die zahnmedizinische Behandlung von Menschen mit Special Needs“ von 2024 gibt er Tipps für die Behandlung von Patienten mit besonderen Bedürfnissen. Foto: Prof. Dr. Andreas Filippi Foto: Andrey Popov – stock.adobe.com

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