PRAXIS | 45 chen Praxis, ebenso wie an das Praxismanagement mit Zeit und Logistik. Am Ende spielt auch das Vergütungssystem in Deutschland eine Rolle, das nicht weit genug gefasst ist für den möglichen Mehraufwand bei der Behandlung von Patienten mit Special Needs. Wie können sich Zahnärzte und ihre Teams vorbereiten, um patientengerecht zu arbeiten? Es geht um eine andere Patientenführung bei betroffenen Menschen, über die man sich entsprechend informieren sollte. Für die wichtigsten Voraussetzungen halte ich Empathie und den Willen, auch Patienten, die anstrengender und eventuell auch herausfordernder sind, zahnärztlich zu betreuen. Meiner Meinung nach gehört das zum Berufsethos, denn die betroffenen Menschen sind Teil unserer Gesellschaft. Wir sollten uns ihnen zuwenden, statt sie schnell irgendwohin zu überweisen. Konkret muss oftmals mehr Zeit eingeplant werden, eventuell auch mehr Pausen. Behandlungen sind vielleicht nur in kleineren Schritten möglich. Auch die Kommunikation ist häufig zeitintensiver, redundantes Erklären kann erforderlich werden. Bedarf es eines Übersetzers bei sprachlichen Problemen? Beherrscht die Praxis die Leichte Sprache oder hat sie Erklärtafeln mit Piktogrammen? Welche Maßnahmen können zur Stressreduktion beitragen? Es hilft bereits, wenn Sie Verständnis signalisieren und Hilfe anbieten. Wie ist die angenehmste Lagerung auf dem Behandlungsstuhl für Schwangere oder Patienten mit rheumatoider Arthritis? Sind spezielle Instrumente oder Materialien erforderlich, etwa wegen der Religion, multiplen Allergien oder dem Wunsch nach Metallfreiheit? Ist eine Behandlung in Lokalanästhesie überhaupt möglich? Zentral für eine sichere und erfolgreiche Behandlung ist eine gute Anamnese. Hier können die Bezugspersonen weiterhelfen, aber auch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte. Ich rate jedenfalls dazu, diese so weit wie möglich einzubinden. Das beruhigt die Patienten meist spürbar. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen, Betreuern, Ärztinnen und Ärzten oder Pflegepersonal ist grundsätzlich wichtig. Nicht wenige Special-NeedsGruppen brauchen eine Vertrauensperson oder einen Vormund – gerade die demenziell Erkrankten, die sich am ehesten noch an Angehörige erinnern, die sie sehr lange kennen. Neben dem Besuch in der zahnärztlichen Praxis und den zahnärztlichen Bemühungen sollte auch kontrolliert und sichergestellt werden, was zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung bezüglich Mundhygiene und Ernährung passiert. Auch hier gibt es Möglichkeiten, so etwas anzuleiten oder zu unterstützen. Wo können sich die Praxen informieren? Es gibt Fortbildungen zum Thema, die in der Regel für die großen SpecialNeeds-Gruppen einen Überblick geben – beispielsweise für die Behandlung von Senioren, psychisch Erkrankten oder Menschen mit allgemeinmedizinischen Risiken. Dann gibt es aktuelle Literatur mit vielen Tipps und Tricks für die tägliche zahnärztliche Praxis. Netzwerke wie Study Clubs tauschen sich gegebenenfalls tiefgreifender aus. Ich würde davon abraten, einfach nur zu googeln. Die Ergebnisse sind oftmals zu oberflächlich. Wenn man KI involvieren möchte, dann mindestens das Tool Perplexity, da dort die Quellen angegeben sind. Außerdem kennen sich Selbsthilfegruppen für Betroffeneinder Regel sehr gut aus und kennen oft auch spezialisierte Praxen. Wo sind die Grenzen? Merkt man, dass die Versorgung eines Special-Needs-Patienten die Möglichkeiten der eigenen Praxis übersteigt, darf und muss man ihn überweisen. In der Regel gibt es in jeder Großstadt spezialisierte Kolleginnen und Kollegen sowie (Universitäts-)Zahnkliniken. Als Zahnärztin oder als Zahnarzt kann man nicht in allen Bereichen oder für alle Patientengruppen gleich fit sein. Aber man sollte sich schon immer wieder mal updaten – das Thema ist in den letzten Jahren in die Mitte der Gesellschaft gerückt und deutlich wichtiger geworden. Wo sehen Sie Lücken in der Versorgung? Ich denke eine flächendeckende Versorgung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen existiert nicht. Angehörige müssen oft weite Anreisen zu spezialisierten Praxen oder Zentren auf sich nehmen, was bedauerlich und für dieBetroffenen herausfordernd ist. Welche Verbesserungen wären hier sinnvoll? Ein Problem ist sicher der nicht adäquat abzudeckende Mehraufwand bei der Behandlung von Menschen mit Special Needs. Da sollte nachgebessert werden – gerade auch, weil die Zahl der betroffenen Patienten stetig zunimmt. Für Betroffene und deren Angehörige gibt es Stiftungen und Selbsthilfegruppen, die beraten können, wie es zusätzliche finanzielle Unterstützung geben kann. Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die oft ein wenig durch das zahnmedizinische Raster fallen, eine spezialisierte Zahnarztpraxis in ihrer näheren Umgebung finden können, die über die Empathie und das erforderliche Know-how verfügt, hier die Betreuung zu übernehmen. Das Gespräch führte Laura Langer. zm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1691) ADRESSEN ZUM UMGANG MIT SPECIAL-NEEDS-PATIENTEN Deutsche Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf (DGZMB) International Association for Disability and Oral Health (iADH) OGI (OralGesundheit Inklusiv) Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum Stuttgart (ZFZ) Europäische Akademie für zahnärztliche Fort- und Weiterbildung der Bayerischen Landeszahnärztekammer Fortbildungsakademie der Landeszahnärztekammer Hessen Projekt „Gesunder Mund“ der ZÄK Berlin Philipp-Pfaff-Institut in Berlin AG Inklusive Zahnmedizin der Bundeszahnärztekammer „Special Smiles® der Special Olympics Deutschland (SOD) Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm)
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