Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

74 | POLITIK ANALYSE ZUM KRANKENSTAND IN DEUTSCHLAND Treibt die telefonische AU den Krankenstand in die Höhe? Statistiken zeigen in den vergangenen Jahren deutliche Zuwächse bei den Krankschreibungen. Arbeitgeberverbände sehen die Ursache in der Einführung der telefonischen AU-Bescheinigung. Eine gemeinsame Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und der BARMER kommt zu anderen Ergebnissen. Bei den größten gesetzlichen Krankenkassen gab es 2021 zwischen 95 und 149 AU-Fälle und 2023 zwischen 181 und 225 AU-Fälle pro 100 Versichertenjahren. Dies entspricht einem Anstieg von bis zu 95 Prozent, meldet das Zi. Parallel zu diesen Entwicklungen zeigt die jährlich vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichte Statistik zum Sozialbudget, dass sich die Ausgaben für Lohnfortzahlungen im Zeitraum von 2010 bis 2023 auf 67,9 Milliarden Euro verdoppelt haben. Die Ursachen dafür seien vielschichtig: „So ist zu vermuten, dass neben dem gestiegenen Krankenstand auch die in den letzten Jahren gestiegenen Bruttoentgelte und der erfolgte Beschäftigungsaufbau eine maßgebliche Rolle für diese Entwicklung spielen“, heißt es beim Zi. Von den großen Arbeitgeberverbänden werde in diesem Zusammenhang allerdings insbesondere der hohe Krankenstand problematisiert, dessen Ursache in der Einführung der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gesehen wird. „Genährt wird diese Hypothese durch den in den letzten Jahren erfolgten Marktzutritt digitaler Videodienstanbiete, die eine niedrigschwellige Möglichkeit der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ermöglichen", schreibt das Zi. Die Zi-Analyse auf Basis der pseudonymisierten Arbeitsunfähigkeitsdaten und der vertragsärztlichen Abrechnungsdaten der BARMER für die Jahre 2020 bis 2023 hat demnachkeinerlei Hinweise dafür gefunden, dass die AU per Telefon beziehungsweise per Videosprechstunde die maßgebliche Treiberin des gestiegenen Krankenstandes in Deutschland ist. Die Auswertungen deuteten vielmehr darauf hin, dass die Bedeutung der telefonischen AU mit einem Anteil von jährlich 0,8 bis 1,2 Prozent an allen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Gesamtentwicklung der AU-Fälle sehr gering ist, und dass damit der ab 2021 zu beobachtende Anstieg des Krankenstandes nicht erklärt werden kann. Gleiches gelte für die AU per Videosprechstunde, die mit einem jährlichen Anteil von 0,1 bis 0,4 Prozent an allen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch niedriger ausfällt. Die Tele-AU macht nur etwa ein Prozent aus. Ist sie trotzdem für den hohen Krankenstand verantwortlich? Foto: Fotogestoeber - stock.adobe.com zm115 Nr. 20, 16.10.2025, (1720)

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