22 | PRAXIS PHÄNOMEN MIT TIEFGREIFENDEN FOLGEN FÜR DIE MUNDGESUNDHEIT Wie Dentalscham Menschen vom Zahnarztbesuch abhält Scham kann laut einer Studie dazu führen, dass Menschen ihre Mundgesundheitsprobleme nicht behandeln lassen. Ein besseres Verständnis des Phänomens jedoch könnte mehr Betroffene ermutigen, sich Hilfe zu suchen. Dentalscham ist ein wenig erforschtes, aber weit verbreitetes Phänomen mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Mundgesundheit und auf Ungleichheiten", schreibt das interdisziplinäre Forschungskollektiv in seinem Positionspapier. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kopenhagen, Exeter und Plymouth gehen davon aus, dass das komplexe Zusammenspiel zwischen Mundgesundheit und Scham eine unabhängige Analyse erfordert. „Wir behaupten, dass die Betrachtung der bedeutendsten Herausforderungen der Zahnmedizin – soziale Ungleichheiten in Bezug auf die Mundgesundheit, Stigmatisierung, unzureichende tägliche Mundpflege und fehlende Bindung an zahnmedizinische Versorgungssysteme – durch die Linse der Scham ein tieferes Verständnis ihrer komplexen und vielfältigen Dynamiken ermöglichen kann.“ Scham biete eine Erklärung in Fällen, in denen Personen nicht vor der Behandlung selbst Angst haben, sondern eher davor, ihre Zähne zu zeigen oder relevante Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Details zu ihrer Ernährung offenzulegen. Orale Probleme durch die Linse der Scham Die Forschenden haben drei Situationen identifiziert, in denen Dentalscham tendenziell auftritt. Erstens könne sie direkt auf Probleme der Mundgesundheit oder des ästhetischen Erscheinungsbilds der Zähne zurückgehen. Beispiele dafür seien sichtbare Zahnprobleme wie abgebrochene, kariöse, dunkle oder fehlende Zähne sowie Mundgeruch und Funktionsstörungen der Zähne beim Essen, Trinken oder Sprechen. Zweitens könnten beispielsweise soziale und wirtschaftliche Missstände den Grad, in dem jemand seine Mundgesundheit erhalten und verbessern kann, deutlich beeinflussen. Dieser Effekt werde durch soziale Verletzlichkeiten und Entbehrungen wie Traumata und Missbrauch, Armut, geringe Lese- und Schreibfähigkeiten und schädliche Bewältigungsstrategien wie Drogenmissbrauch noch verstärkt. Dies gelte jedoch nicht nur für Menschen in marginalisierten Lebenssituationen, sondern komme auch allgemein in der Gesellschaft vor, beispielsweise im Hinblick auf Ess-, Trink- oder Rauchgewohnheiten. Drittens könne man Dentalscham stellvertretend für andere erleben und so unsicher werden, wie man mit einer Person mit Mundgesundheitsproblemen umgehen soll. In jedem Fall gehen die Autoren davon aus, dass Dentalscham zu einem geringeren Selbstwertgefühl, sozialer Isolation und einem ungünstigen Verhalten in Bezug auf die Mundgesundheit führen kann. In der Zahnmedizin und in Gesundheitseinrichtungen tätige Personen sollten daher in dentaler Schamkompetenz geschult werden. Foto: ADDICTIVE STOCK CORE-stock.adobe.com zm115 Nr. 21, 01.11.2025, (1772)
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