68 | GESELLSCHAFT zm115 Nr. 21, 01.11.2025, (1818) Ergebnis: Die Prävalenz lag mit 20,8 Prozent deutlich höher als in der bisherigen Literatur beschrieben. Durch die Pandemie-bedingten Einschränkungen, die Schließung von Schönheitssalons und die vermehrte Nutzung sozialer Netzwerke und Videoanrufe habe sich das Angst- und Stressniveau bei Patienten mit diagnostizierter BDD sowie bei Menschen mit BDD-bezogenen Symptomen erhöht [Martínez-Líbano et al., 2025]. Doch längst nicht alle Studien kommen zu dem Schluss, dass die Pandemie das Phänomen verstärkt hat. 2021 untersuchte etwa eine Längsschnittstudie die Folgen der Quarantänen auf krankhaftes Bewegungsverhalten, Essverhalten und Körperbild unter Fitnessstudio-Mitgliedern (Durchschnittsalter 36,7 Jahre, 84 Prozent Frauen). Sie füllten vor und nach dem Lockdown im Abstand von 14 Monaten Fragebögen aus. Ergebnis: Die Werte für Bewegungssucht waren nach dem Lockdown signifikant niedriger; die Werte für Essstörungssymptomatik signifikant höher und bei der körperdysmorphen Störung gab es keine Änderungen. Auffällig dabei: Die Studienpopulation wies zu beiden Beobachtungszeitpunkten eine BDD-Prävalenz von mehr als 30 Prozent auf. Für den zahnmedizinischen Kontext weisen neuere Untersuchungen ähnlich hohe Werte aus: Die Prävalenz in der Patientenschaft lag bei 34,1 Prozent [Alharbi et al., 2023], unter Zahnmedizinstudierenden bei 27,3 Prozent [Faruq et al., 2025]. Welche Rolle spielt Social Media? Dass die Social-Media-Nutzung in einem kausalen Zusammenhang mit der Erkrankung steht, ist (noch) nicht belegt, aber die Hinweise verdichten sich. Querschnittsstudien verweisen auf eine Korrelation zwischen BDD und erhöhter Social-Media-Nutzung [Bonfanti et al., 2024] und zeigen, dass vor allem eine häufige, bildbasierte Social-Media-Nutzung prädiktiv für stärkere dysmorphische Symptome ist [Gupta et al., 2024]. Personen, die täglich vier bis sieben Stunden auf Instagram und Snapchat verweilten, zeigten eine signifikant höhere Prävalenz (29 Prozent) als die Vergleichsgruppe, die weniger als eine Stunde pro Tag auf diesen Plattformen verbrachte (19 Prozent). Personen mit BDD hatten ein signifikant höheres Risiko, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen als Personen ohne BDD [Ateq et al., 2024]. Gerade machte der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) auf die psychischen Belastungen junger Mädchen aufmerksam. Insbesondere die Propagierung unrealistischer Schönheitsideale in den sozialen Medien und der Perfektionsdruck in der Pubertät stellen demnach eine große Herausforderung dar. Viele Mädchen fühlten sich „nicht normal“, verglichen sich mit bearbeiteten Bildern im Netz und gerieten dadurch in ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper. 2021 gaben laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 44 Prozent der befragten Mädchen und jungen Frauen zwischen 14 und 25 Jahren an, dass sie sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen [Scharmanski et Hessling, 2021]. mg DYSMORPHOPHOBIE-TEST ALS TEIL DER ANAMNESE Es gibt verschiedene standardisierte Tests, die auch in Studien als Indiz zur Feststellung von BDD genutzt werden. Die Arbeiten erfassen dann Screening-Positive. Dabei handelt es sich nicht immer um voll diagnostizierte Fälle nach DSM/ ICD. Hierfür ist eine vollständige Diagnose mit klinischer Abklärung nach den offiziellen Kriterien der DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition) beziehungsweise der ICD-11 (International Classification of Diseases, 11th Revision) nötig. Die gängigsten Tests sind: 1.BDDQ – Body Dysmorphic Disorder Questionnaire Kurzfragebogen zur Selbstbeurteilung mit wenigen Items geeignet als Screening-Instrument in klinischen Settings (Zahnmedizin, Dermatologie, plastische Chirurgie) fragt nach Sorgen über das Aussehen, Beeinträchtigungen und klinisch relevantem Distress Sensitivität und Spezifität in Studien sehr hoch (> 90 Prozent) 2.DCQ – Dysmorphic Concern Questionnaire Kurzfragebogen mit sieben Items erfasst „dysmorphische Besorgnis“ auf einem Kontinuum wird häufig in epidemiologischen und klinischen Studien eingesetzt eignet sich für schnelles Screening bei großen Stichproben 3.BDD-YBOCS – Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale modified for BDD Goldstandard in Forschung und Diagnostik halbstrukturiertes Interview mit zwölf Items misst Schweregrad von BDD-Symptomen wird vor allem in der Fachpsychiatrie und in Forschungssettings verwendet, weniger im Praxis-Screening 4.COPS/COPS-D – Cosmetic Procedure Screening for BDD speziell für Patient:innen, die ästhetische Behandlungen suchen (Zahnästhetik oder plastische Chirurgie) fragt nach der Unzufriedenheit mit dem Aussehen, sozialer Beeinträchtigung, Vermeidung nützlich in ästhetischen Fachrichtungen zur Entscheidung, ob eine Behandlung ethisch/psychologisch vertretbar ist ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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