80 | GESELLSCHAFT zm115 Nr. 21, 01.11.2025, (1830) während der Pandemie und dem ProKopf-BIP 2019. Ob die Anzahl der Praxisbesuche dem Bedarf angemessen war, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht bestimmen, so das BiB. Auffällig sei jedoch, dass Deutschland im europäischen Vergleich einen der höchsten Werte bei den Praxisbesuchen aufweist, bei der Lebenserwartung jedoch nur einen mittleren Rang belegt. In Ländern mit einer höheren Lebenserwartung, beispielsweise Frankreich, der Schweiz und Spanien, suchen die Menschen demzufolge deutlich seltener eine Arztpraxis auf als hierzulande. Dabei unterscheiden sich die langjährigen Trends erheblich, wie die Forschenden berichten. So habe sich etwa in Spanien und Frankreich die Zahl der Praxisbesuche in den vergangenen 20 Jahren um rund ein Viertel reduziert. Die Deutschen gehen doppelt so oft zum Arzt wie die Finnen „Diese Länder hatten damals eine ähnlich hohe Zahl an Praxisbesuchen wie Deutschland, konnten dann aber im Kontext einer steigenden Lebenserwartung einen deutlichen Rückgang erzielen“, erklärt Studienautorin Dr. Anna Reuter vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. „Deutschland hat dagegen nur einen minimalen Rückgang verzeichnet und verharrt weiterhin bei einer hohen Rate an Praxisbesuchen proKopf.“ Die Forschenden stellten für Europa insgesamt fest, dass Menschen über 75 während der Pandemie ihre Arztbesuche überproportional reduziert haben. Ihr Fazit lautet: „Ein wichtiger Schwerpunkt politischer Maßnahmen zur Vorbereitung auf künftige Pandemien und ähnliche Krisen sollte daher darin bestehen, Systeme zu gewährleisten, die sicherstellen, dass Hochbetagte die Gesundheitsversorgung erhalten, die sie benötigen.“ ck Die Studie: Nguyen, Van Kinh; Reuter, Anna; Abd El Aziz, Mirna; Bärnighausen, Till (2025): Trends in outpatient healthcare visits among adults aged 50 years and older in 27 European countries: analysis of populationbased survey data, 2004–2022. The Lancet Regional Health – Europe, https://doi.org/10.1016/j. lanepe.2025.101407 HÄUFIGKEIT DER ARZTBESUCHE NACH LÄNDERN IM JAHR 2019 Die höchsten Raten ambulanter Arztbesuche wurden in Mitteleuropa beobachtet, mit 5,60 (95%-Unsicherheitsintervall (UI): [5,20–5,97]) Besuchen für Frauen und 4,62 [4,30–4,90] Besuchen für Männer in Luxemburg, gefolgt von Belgien (Frauen: 5,10 [4,94–5,29], Männer: 4,26 [4,08–4,41]), Italien (Frauen: 4,58 [4,44–4,71], Männer: 4,00 [3,82–4,15]), Österreich (Frauen: 4,54 [4,41–4,80], Männer: 3,97 [3,80– 4,20]) und Deutschland (Frauen: 4,47 [4,33–4,62], Männer: 3,98 [3,81–4,13]). Die niedrigsten Besuchsraten wurden in Nordeuropa und auf kleinen Inseln beobachtet, mit 2,20 [2,07–2,34] Besuchen bei Frauen und 1,96 [1,84–2,12] Besuchen bei Männern in Finnland, gefolgt von Zypern (Frauen: 2,61 [2,46–2,78], Männer: 2,02 [1,87–2,23]) und Malta (Frauen: 2,52 [2,35– 2,68], Männer: 2,18 [2,01–2,37]). Rate ambulanter Arztbesuche in Europa 2019 für Frauen (a) und Männer (b)
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