24 | ZAHNMEDIZIN AUS DER WISSENSCHAFT Wie lange sollte aus zahnmedizinischer Sicht gestillt werden? Elmar Hellwig Es gibt in der Zahnmedizin immer wieder Diskussionen, ob und inwieweit das nach dem Zahndurchbruch der ersten Zähne fortgesetzte Stillen das Risiko für eine frühkindliche Karies erhöht. Die Studienlage dazu ist nicht eindeutig. Jetzt hat eine brasilianische Arbeitsgruppe eine neues systematisches Review mit Metaanalyse vorgelegt. Stillen hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung, das Wachstum und die Ausbildung des Immunsystems bei Neugeborenen. Die WHO und UNICEF empfehlen daher exklusives Stillen für die ersten sechs Lebensmonate eines Kindes, gefolgt von der Einführung von angemessener Zusatznahrung bei gleichzeitig fortgesetztem Stillen bis zu 24 Monate oder länger. Auch in Deutschland lässt sich in bestimmten Bevölkerungsgruppen beobachten, dass Kinder teilweise sogar weit über das zweite Lebensjahr hinaus gestillt werden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob längeres Stillen ein Risiko für die Entstehung einer frühkindlichen Karies (ECC) und damit für die Allgemeingesundheit darstellt. Das Ziel des aktuellen systematischen Reviews war es daher, die Frage zu beantworten, ob eine verlängerte Stillzeit ein Risiko für die Entstehung von Karies in den ersten sechs Lebensjahren eines Kindes ist. Methodik Für das Review wurden Beobachtungsstudien, die das ECC-Risiko bei Kindern, die über zwölf Monate gestillt wurden, einbezogen. Dazu wurden acht Datenbanken – unter anderem PubMed, Scopus, Cochrane Library – durchsucht. Sprachlimitationen wurden nicht berücksichtigt. Ergebnisse Von den primär 4.733 Studien wurden 25 Studien mit 19.681 Teilnehmern eingeschlossen. Die Studie zeigte eine höhere ECC-Prävalenz beim Stillen über zwölf Monate hinaus (OR = 1,86; 95 Prozent KI, 1,48 bis 2,35). Offenbarwurde zudem ein erhöhtes Risiko für ECC bei Kindern, die länger als 24 Monate gestillt wurden (RR = 2,44; 95 Prozent KI, 1,97 bis 3,02) festgestellt. Diese Kinder haben eine dreimal größere Wahrscheinlichkeit eine ECC zu entwickeln als Kinder, die nicht gestillt wurden. Diskussion ECC ist definiert als Vorhandensein eines oder mehrerer kariös bedingter Zahndefekte sowie fehlender oder gefüllter Zahnoberflächen bei den Milchzähnen von Kindern bis zum Alter von sechs Jahren. ECC kann zu Schmerzen, Infektionen, einem veränderten Ess- und Schlafverhalten, reduzierter Sprachbildung oder reduziertem Wachstum führen und stellt damit ein Muttermilch ist süß – sie enthält im Vergleich zur Kuhmilch signifikant mehr Zucker. Foto: LIGHTFIELD STUDIOS-stock.adobe.com zm115 Nr. 22, 16.11.2025, (1874) AUS DER WISSENSCHAFT In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung. Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern: Univ.-Prof. (a.D.) Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (bis 31.12.2023) Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz
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