42 | ZAHNMEDIZIN FORTBILDUNG „SIMPLE, ADVANCED, COMPLEX“ Leukoplakie – ein praxisorientierter Leitfaden für einfache bis komplexe Fälle Josephine Ionfrida, Peer W. Kämmerer Laut Studien weisen bis zu 25 Prozent der Bevölkerung unklare Veränderungen der Mundschleimhaut auf. Meist handelt es sich dabei um harmlose Befunde, dennoch besteht selbst bei aktuell unauffälligen Läsionen langfristig ein Risiko für eine maligne Entartung. Dieser Beitrag erläutert, wie sich dieses Risiko bei der oralen Leukoplakie durch frühzeitige Erkennung und richtiges Management minimieren lässt und wie in der Praxis mit unterschiedlich komplexen Fällen umgegangen werden kann. Potenzielle Vorläuferläsionen maligner Veränderungen der Mundschleimhaut stellen im zahnärztlichen Alltag eine bedeutende Herausforderung dar. Sie können symptomlos oder unspezifisch erscheinen und sind klinisch häufig nur schwer von harmlosen Schleimhautveränderungen abgrenzbar. Dabei bergen sie ein relevantes Entartungsrisiko und müssen daher sorgfältig diagnostiziert und überwacht werden. Die Gruppe der sogenannten potenziell malignen Veränderungen (PMV) umfasst eine Vielzahl an Läsionen, darunter vor allem die Leukoplakie und den oralen Lichen planus – in Mitteleuropa die beiden häufigsten Erscheinungsformen. Die klinische Erkennung, Abgrenzung und Einstufung solcher Läsionen erfordert nicht nur eine systematische Untersuchung der gesamten Mundhöhle, sondern auch ein differenziertes Verständnis für die Risikofaktoren, Verlaufsformen und Transformationspotenziale. Die aktuelle WHO-Klassifikation der potenziell malignen oralen Erkrankungen ist in Tabelle 1 aufgeführt [Baumhoer und Reichert, 2024]. Die Anwendung des Konzepts „Simple – Advanced – Complex“ erlaubt eine Strukturierung des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens bei PMV. Diese Einteilung unterstützt eine risikoadaptierte Patientenführung in der zahnärztlichen Primärversorgung. Orale Leukoplakie Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Leukoplakie. Mit einer globalen Prävalenz von einem bis fünf Prozent ist sie die häufigste potenziell maligne Veränderung der Mundschleimhaut und ist definiert als „eine weiße Plaque mit fraglichem Krebsrisiko, die nur diagnostiziert werden kann, nachdem andere spezifische Erkrankungen ausgeschlossen wurden“ [Mello et al., 2018; Reibel et al., 2017]. Damit handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, die auch vom Pathologen nur unter Berücksichtigung des klinischen Befunds und durch den Ausschluss anderer Erkrankungen bestätigt werden kann. Dennoch ist eine Biopsie unerlässlich, um eine mögliche Malignität oder eine Schleimhautdysplasie sicher auszuschließen. Typischerweise tritt die Leukoplakie bei Erwachsenen über 40 Jahren auf, häufiger bei Männern [Stolte und Dommisch, 2023]. Der wichtigste Risikofaktor ist der Tabakkonsum, sowohl Rauchen als auch Kautabak, gefolgt von regelmäßigem Alkoholkonsum, schlechter Mundhygiene und chronischen mechanischen Reizungen, beispielsweise durch scharfe Zahnkanten oder schlecht sitzende Prothesen. Auch Infektionen mit humanen Papillomaviren können eine Rolle spielen und sind derzeit Gegenstand der Forschung [Mello et al., 2018; Mishra et al., 2005; Feller und Lemmer, 2012]. Einige Leukoplakien treten auch bei lebenslangen Nichtrauchern ohne erkennbare Ursache auf; in solchen Fällen spricht man zm115 Nr. 22, 16.11.2025, (1892) POTENZIELL MALIGNE VERÄNDERUNGEN DER MUNDSCHLEIMHAUT NACH WHO Erythroplakie Erythroleukoplakie Leukoplakie Proliferative verruköse Leukoplakie Submuköse Fibrose Palatinale Veränderungen nach „reverse smoking“ Orale lichenoide Läsion Oraler lichen Planus Kautabakassoziierte Keratose Orale Graft-versus-Host-Erkrankung Lupus erythematodes Familiäre Karzinomsyndrome (Li-Fraumeni-Syndrom, Fanconi-Anämie..) Tab. 1
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