zm
107, Nr. 1, 1.1.2017, (98)
Kolumne
Wie Life Clock mein Leben optimiert
Was haben wir 2016 noch gelacht über Zahnpasta ohne Fluorid, mit
Goldstaub oder mit Erbsenpulver. Alles vorbei: Seit zwei Wochen
schmiere ich mir per Paste Vitamin B 12 aufs
Zahnfleisch. Und Schuld ist eine App.
Es ist eine fest eingebrannte Kindheitserinne-
rung: Ich stehe als Neunjähriger nachmittags
am elterlichen Telefon. Außer mir niemand zu Hause. Ich wähle die
119, warte bis die Gegenseite abnimmt. Dann schaudere ich, bis ich
es nicht mehr aushalte und auflege. Wie groß mein Anteil an den
jährlich 50 Millionen Mark Gebühreneinnahmen für die Zeitansage
war, werde ich nie erfahren. Fakt ist: Die Idee der verrinnenden
Lebenszeit beschäftigte mich in meinem Leben mal weniger, mal
mehr. Bis ich „Life Clock“ auf meiner Armbanduhr installierte.
Mit sechs Ziffernpaaren ist eigentlich alles gesagt: 57 Jahre, 11
Monate, 2 Tage, 14 Stunden, 55 Minuten und – Moment … – 31,
30, 29, 28 Sekunden lautet meine restliche Lebenserwartung. So
wurde aus mir Selbstoptimierungsmuffel ein Jünger des neuen
Volkssports. Denn der Countdown lässt sich nicht stop-
pen, nur verlangsamen. 30 Minuten Sport bringen 36
Minuten Lebenserwartung, ein Spaziergang 20 und
die Einhaltung der Fünf-Portionen-Obst-und-Gemüse-
am-Tag-Regel satte 40 Minuten. Wer da noch Fleisch isst selbst
schuld. Kleiner Wortwitz.
Wer den Tipps des Vegetarierbunds – zur Vitamineinnahme via
Zahnpasta etwa – unhinterfragt folgt oder sein Mindesthaltbarkeits-
datum am Handgelenk abliest, kann nicht ganz bei Trost sein, sagen
Sie? Kann sein. Mich dagegen amüsiert die uniformierte Mode der
Overperformer, in der jeder nach seinen Möglichkeiten an gleicher
Stelle einen mit mehr oder weniger Lebenszeit erkauften Mechanik-
klumpen spazieren trägt.
Amüsant oder abseitig? Skurriles
aus der zahnmedizinischen Welt
Vorschau
Themen im nächsten Heft –
zm 2
erscheint am 16. Januar 2017
Polymorphes Adenokarzinom
der Glandula sublingualis
Schwellungen im Mund und an den Speicheldrüsen können
durchaus maligne sein. Was dann zu tun ist. Mit CME!
„Der größte Unterschied sind
die Patienten“
Sein Zahnmedizinstudium schloss Ghassan Al Shallak
in Syrien ab, in Berlin arbeitet er jetzt als Assistenzzahnarzt –
ein steiniger Weg.
Foto: Dau
Foto: zm-nh
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Zu guter Letzt