zm
107, Nr. 5, 1.3.2017, (572)
Kolumne
Was uns Nagerzähne alles verraten!
Es war also zu schön, ja zu einfach, um wahr zu sein: In der Evolution
des Menschen haben sich Gehirn und Zähne wohl doch nicht ab-
hängig voneinander entwickelt. Bis dahin galt in Forschungskreisen:
Wächst das Gehirn, schrumpfen die Zähne – und umgekehrt. Was
sagt uns das über Stefan Raab?
Einerlei. Dank der Forschungsarbeit von Aida Gómez-Robles und
ihrem Team an der George Washington University darf nun der bis-
herigen Annahme widersprochen werden. Nach
dem Studium von acht verschiedenen Früh-
menschen aus den Gruppen Australopithecus,
Paranthropus und Homo steht fest: Die Größen-
entwicklung des Gehirns erfolgte sprunghaft, die der Zähne ver-
gleichsweise gleichmäßig. Daran möchte ich zweifeln.
Beguckt man sich jüngere Forschungsergebnisse, die für Zahnärzte
eine Rolle spielen, bleibt nur zu hoffen, dass nicht nur die Gehirn-
größe, sondern auch die Reflexionsfähigkeit der gemeinen Labor-
ratte enge Grenzen hat. Nur so bleibt dem Nager die Sinnlosigkeit
seines aufopferungsvollen Tagewerks auf immer verborgen. Dann
wäre es halb so schlimm, wenn Hunderte der unfreiwilligen Proban-
den bis zu ihrem jähen Ende durch Titandioxid – einen Inhaltsstoff
von Zahnpasta – verursachte Tumore im Darm spazieren tragen, nur
damit die Presseabteilung eines Herstellers die Übertragbarkeit der
Studienergebnisse auf den Menschen mit einer einzigen rund-
gelutschten Formulierung negiert.
Dieselbe Schnoddrigkeit legt auch der Zentralverband der Elektro-
industrie (ZVEI) an den Tag, wenn es um Erkenntnisse zur photoche-
mischen Toxizität, sprich dem Netzhautschädigungspotenzial, des
blauen Lichtanteils von LED geht, die daheim oder in Büro und Praxis
so toll Strom sparen. Augen von Ratten seien „be-
sonders empfindlich und daher für solche Versu-
che nicht geeignet“, schreibt die Presseabteilung
in einer knappen Stellungnahme. Vielleicht ist dem
Forscherteam der französischen staatlichen Forschungseinrichtung
Inserm hier ein Lapsus unterlaufen. Und vielleicht hat Dr. med. Georg
Eckert, Sprecher des Bundesverbands der deutschen Augenärzte, –
der sehr wohl eine Übertragbarkeit der Ergebnisse sieht – nach den
Studentenpartys der wilden 1970er-Jahre ein paar entscheidende
Vorlesungen verschlafen.
Vielleicht konnte der Autor in seinem ZVEI-Büro aber auch nur kurz
die Hände lösen und ein paar schnelle Zeilen per E-Mail versenden,
um anschließend wieder seinen von riesigen Molaren schweren Kopf
stützen zu müssen.
Amüsant oder abseitig? Skurriles
aus der zahnmedizinischen Welt
Vorschau
Themen im nächsten Heft –
zm 6
erscheint am 16. März 2017
Videosprechstunde im Test
Ein Zahnarzt führt Patientengespräche online.
Aus Liebe zu Ost-Oldtimern
„79oktan“: Zahnarzt Dr. Rolf Mahlke verlegt
ein Automobil-Magazin.
Foto: privat
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Zu guter Letzt