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zm

107, Nr. 9, 1.5.2017, (1164)

Wie VW eine Gingivitistherapie plante – und scheiterte

Vor ein paar Wochen habe ich meine Verfolger abgeschüttelt: Jetzt

surfe ich auch auf dem Handy nur noch mit Werbeblocker. Für diese

private Banner-Abschaltautomatik ernte ich oft Anerkennung – witzi-

gerweise auch von Leuten, die Dieselgate für eine Riesenschweinerei

halten. Dabei hatte die Abgastrickserei der Autoriesen einen misan-

thropen Hintergrund.

Geheime, jüngst auf einem Bierdeckel gefundene Notizen belegen,

dass VW als erstes Unternehmen eine großflächig angelegte Gingivi-

tistherapie für die Stadtbevölkerung geplant hat.

Zusammen mit der STEAG Power Minerals GmbH

wollte der Konzern über den filigran gesteuerten

Stickstoffausstoß ihrer Fahrzeugflotte den Nitrat-

gehalt im Trinkwasser regeln. Das Dinslakener Unternehmen mischte

dazu den Zahnpasta-Farbstoff Titandioxid in Straßenpflastersteine.

Die Idee: Einmal der Sonne ausgesetzt, wandeln sich die Stickoxide

photokatalytisch mithilfe von Stadtluft in Nitrat um, das bei Regen

mit Feinstaub und gelöstem Gummiabrieb ins Trinkwasser sickert.

Ein Glas hiervon ist garantiert fast so gut wie nitrathaltiges Salatsaf-

textrakt, für das Würzburger Wissenschaftler nachwiesen, dass es die

klinischen Zeichen einer Gingivitis bei parodontalen Nachsorgepa-

tienten verringert. Da dachten sich die Wolfburger Verantwortlichen

sicher, „das können wir besser“, übersahen aber – beseelt von so viel

Gutmenschentum – die Regularien der US-Umweltbehörden.

Die Kehrseite meiner privaten Abschaltautomatik erlebe ich täglich

im öffentlichen Raum. Einmal gewöhnt daran, dass mir nicht mehr

ständig und ungefragt Sofagarnituren, Laufschuhe und Schnäpp-

chentickets zum griechischen Festland mit Getöse

ins Blickfeld fliegen, würde ich gern auf dem mor-

gendlichen Weg zur Arbeit das beklebte U-Bahn-

Innere, die schreiend bunten Treppenstufen der

Station Berlin-Friedrichstraße samt Litfaßsäulen und Leuchtreklamen

einfach wegwischen oder blocken. Wie schön sähe wohl eine Welt

ohne Werbung aus?, sinniere ich oft auf demHeimweg aufs Land, wo

die Güllepfützen direkt an meinem Haus stehen – neben dem alten

Hanomag ohne Abschaltautomatik.

zm

100, Nr. 9 A, 1.5.2017, (1164)

Kolumne

Vorschau

Themen im nächsten Heft –

zm 10

erscheint am 16. Mai 2017

Gedanken zum IQWiG-Vorbericht

Machen die Prinzipien der evidenzbasierten Zahnmedizin noch

Sinn?

Frühjahrsfortbildung 2017

Der richtige Biss: Okklusion – Problematik, Erkenntnisse, Therapien

Foto: [M] zm-mg, IQWIG, Fotolia, prDente

Foto: Schmitter et al

Amüsant oder abseitig? Skurriles

aus der zahnmedizinischen Welt

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Zu guter Letzt