Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 107, Nr. 19, 1.10.2017, (2207) Was war passiert? Es erfolgte eine Zahnextraktion, obwohl die Patientin über einen Zeitraum von 15 Monaten aufgrund ihrer Osteoporose Bisphosphonate (jede Woche 70 mg) ge- nommen hatte. Vor der Extraktion wurde nicht nach der Einnahme von Bisphospho- naten gefragt. Was war das Ergebnis? Die Extraktionswunde heilte trotz der Bisphosphonat-Therapie langsam, aber voll- ständig aus. Bei einem weiteren Zahn erfolgte später sicherheitshalber keine Extraktion, vielmehr wurde der Wurzelrest endodontisch behandelt und mit einer Kompositkappe auf Gingivaniveau dauer- haft versorgt. Der besondere Fall aus „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ Bisphosphonate: Lieber vorher nachfragen! Bisphosphonate werden seit Jahren erfolgreich bei Knochenmetastasen und anderen Erkrankungen (Plasmocytom, fortgeschrittene Osteoporose) eingesetzt. Sie vermindern den Knochenabbau (Hemmung der Osteoklasten) und werden chemisch so an den Knochen gebunden, dass ihre Verweildauer sehr lange (Monate bis Jahre) betragen kann. Ihr Nebenwirkungsprofil wird seit Jahren als günstig beurteilt. Bereits im Jahr 2003 erschienen erste Berichte über Kiefer- nekrosen (osteonecrosis of the jaw = ONJ) unter Bisphosphonate-Medikation. Insofern ist es wichtig, sich bei einem potenziell für diese Problematik infrage kommenden Patienten regelmäßig zu vergewissern, ob er Bisphosphonate ein- nimmt oder eingenommen hat. Die Gründe dafür zeigt der vorliegende, dem Berichts- und Lernsystem „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ von BZÄK und KZBV entnommene Fall. Antiresorptiva-assoziierte Kiefernekrose (AR-ONJ) nach Extraktion des Zahnes 27 ohne Kautelen (perioperative Antibiotikagabe, modellierende Osteotomie scharfer Knochenkanten, plastische Deckung) Alle Fotos: Grötz Obwohl die Ätiologie der Kiefernekrose noch nicht im Einzelnen geklärt ist, sind „Nebenfaktoren“ bekannt, die diese begünstigen. Hierzu gehören Keimeintrittspforten in der Mund- höhle wie Infektionen des Zahnhalte- apparats (Parodontitis), Schleimhaut- wunden am Kieferkamm (Prothesen- druckstellen, scharfe Knochenkanten) und Kieferwunden nach Operationen (Zahnextraktion). Daneben begünsti- gen onkologische Grunderkrankungen im Vergleich zu einer primären Osteo- porose und auch weitere Therapien wie Chemo-, Hormon-, Cortison-, Strahlen-Therapie und mehr das Auf- treten einer Kiefernekrose. Aber auch die Bisphosphonate selbst spielen eine Rolle: Hochwirksame, moderne Bisphosphonate (sogenannte Amino- bisphosphonate) sind häufiger mit der Kiefernekrose vergesellschaftet. Weitere Risikofaktoren sind die intra- venöse Applikation (im Gegensatz zur Tabletten-Einnahme), eine hohe Dosierung und die Therapiedauer. Das individuelle Risikoprofil ist damit sehr unterschiedlich. Neben den klassischen Bisphosphona- ten, die eine Stoffgruppe mit unter- schiedlicher Applikationsform und un- terschiedlichem Kiefernekrosen-Risiko darstellen, hat in den vergangenen rund fünf Jahren der monoklonale Antikörper Denosumab mehr und mehr an klinischer Bedeutung gewonnen. Denosumab wird in derselben Indikation wie die Bisphosphonate eingesetzt – mit den Handelsnamen Prolia® bei Osteoporose und XGeva® bei onko- logischen Patienten, wobei es aus- schließlich als subkutane Injektion appliziert wird. Nach allen publizierten Daten ist das Risiko, unter Denosumab eine Kiefernekrose zu entwickeln, ebenso hoch wie unter den klassischen Bisphosphonaten. Deshalb fasst man die beiden Medikationen heute unter „Antiresorptiva“ zusammen und spricht von der Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose (AR-ONJ). \ Hintergrundwissen zu Bisphosphonaten 53

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