Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23

zm 107, Nr. 23-24, 1.12.2017, (2795) des Immunsystems, die sogenannten Checkpoints, blockieren können. Bei den Checkpoints handelt es sich um Kontroll- stationen, die die Funktion des Immun- systems überwachen. Dies geschieht über Checkpoint-Rezeptoren auf der Oberfläche der Zellen des Immunsystems. Ihre Gegen- spieler – die Checkpoint-Liganden – sind auf der Oberfläche von körpereigenen Zellen exprimiert. Die Interaktion zwischen den Checkpoint-Rezeptoren und -Liganden ist für das Erkennen von Selbst und Fremd durch das Immunsystem verantwortlich. Wird eine Zelle als fremd und damit als potenziell schädigend erkannt, folgt in aller Regel eine Immunreaktion zu ihrer Vernichtung. Entziehen können sich Tumorzellen der Im- munabwehr zum Beispiel, indem sie den „Programmed Death Ligand 1“, kurz PD-L1 exprimieren. Der Ligand interagiert mit dem Rezeptor PD-1 auf Immunzellen, die dadurch deaktiviert werden. PD-L1 wirkt somit wie eine Art Stoppschild auf das Immunsystem, die Krebszelle unterliegt nicht mehr der Immunkontrolle. Durch die Entwicklung spezifischer Immun- Checkpoint-Inhibitoren, die PD-1-Inhibitoren, die ihrerseits mit dem PD-1-Rezeptor inter- agieren, kann jedoch die durch die Tumor- zelle gesetzte Blockade gelöst, respektive das Setzen der Blockade verhindert werden. Eine Art Weiterentwicklung sind die PD-L1- -Inhibitoren. Diese greifen nicht primär am Rezeptor, sondern an den von Tumorzellen freigesetzten Krebsantigenen PD-L1 an und verhindern damit die Blockade der Immun- zellen. Vertreter beider Wirkstoffgruppen sind bereits erfolgreich in der klinischen Anwendung. Beispiele sind der Hautkrebs, das Lungen-, das Blasen- und das Nierenzellkarzinom. So wurde beispielsweise in Studien beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ge- zeigt, dass durch eine Krebsimmuntherapie die Überlebenschancen der Patienten statis- tisch signifikant verbessert werden können. Erforscht wird die neue Antitumor-Strategie außerdem beim Lymphom, beim Sarkom sowie beim Darm-, Eierstock- und Prostata- krebs. Die Krebsimmuntherapeutika werden bislang lediglich bei Patienten mit fort- geschrittener Tumorerkrankung eingesetzt und das zudem als Monotherapie. In Studien wird jedoch auch bereits die Anwendung als Kombinationstherapie zusammen mit einer Chemotherapie oder mit einer sogenannten zielgerichteten Therapie (Targeted Therapy) untersucht. Allerdings sprechen der Deutschen Krebs- gesellschaft zufolge nicht alle Patienten mit Hautkrebs, Nierenzell- oder Lungenkarzinom gleich gut auf eine Immuntherapie an. Warum die Krebszellen unterschiedlich reagieren, ist aber bisher nicht eindeutig geklärt. Die Krebsimmuntherapie wird in aller Regel ambulant durchgeführt, wobei die Wirkstoffe je nach Tumor alle zwei bis drei Wochen als Infusion oder über einen Port verabreicht werden. Zwischen Experiment und klinischer Anwendung Die Behandlung ist im Allgemeinen gut verträglich, als häufigste Nebenwirkungen werden Müdigkeit, Hautausschläge, Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit und möglicherweise auch Autoimmunreaktionen angegeben. Die Nebenwirkungen sind jedoch meist moderat und gut zu beherrschen, die Krebsimmun- therapie gilt als deutlich besser verträglich im Vergleich zu einer Chemotherapie. CAR-T-Zellen: Eine andere Strategie, den Tumor für das Immunsystem zu enttarnen, wird mit der Entwicklung von CAR-T-Zellen versucht. Das Verfahren ist hochkomplex: Zunächst werden dem Patienten T-Lympho- zyten aus dem Blut entnommen. Bei einem gentechnischen Eingriff wird den Zellen dann ein chimärer Antigenrezeptor (Chimeric Antigen Receptor, kurz CAR) eingeführt. Die so gebildeten CAR-T-Zellen werden dem Pa- tienten intravenös rückinfundiert, informiert die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Die CAR-T-Zellen sind in der Lage, spezifische Antigene auf den Krebszellen zu erkennen, mit ihnen zu interagieren und eine charakte- ristische T-Zell-Immunantwort auszulösen, durch die die Krebszellen zerstört werden. Diese Therapie ist allerdings nicht ungefähr- lich, warnt die DGHO: „Es kann zu einem lebensbedrohlichen, sogenannten Zytokin- Release-Syndrom kommen mit zum Teil schweren neurologischen Komplikationen.“ Andererseits bietet diese zelluläre Immun- therapie wahrscheinlich Potenzial für weitere Behandlungsfortschritte bei hämatologischen und auch soliden Malignomen. Therapeutische Impfung: Noch experimentell ist der Ansatz der „therapeutischen Impfung gegen Krebs“. Dabei wird versucht, das Immunsystem gezielt gegen Tumorantigene „aufzuhetzen“. Die Bezeichnung „thera- peutische Impfung“ signalisiert, dass das Verfahren nicht wie eine herkömmliche Schutzimpfung vorbeugend eingesetzt wird, sondern erst, wenn sich bereits ein Tumor gebildet hat. „Geimpft“ werden die Patienten dabei mit Teilen von Krebszellen oder auch mit 97

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