Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (8) All American Smile – Wir können viel von den USA lernen! Zum Beitrag „All American Smile“, zm 19/2017, S. 40–47. Leitartikel – Mich nervt diese sinnlose überbordende Bürokratie Zum Leitartikel „Was nervt in der Praxis am meisten?“, zm 22/2017, S. 6. Nachfolgend ein fiktives Arzt- Patienten-Gespräch im Jahr 2018 und mein Beitrag zur gelebten Bürokratie. Teil 1: Frau Meier, die erfreuliche Nachricht ist, Ihre neuen Zähne sind fertig. Mir gefallen sie gut. Wir müssen nur noch einige Formalitäten erledigen, die der Gesetzgeber und die Industrie vorgegeben haben. Bevor ich die Zähne eingliedern kann, müssen wir sie validieren. Danach müssen wir Sie, Frau Meier, in einem Kurs für Prothesenneulinge zertifizieren, um klarzustellen, dass Sie in der Lage sind, die Zähne richtig herum einzusetzen und zu kauen. Der nächste Kurs für diese Patien- tenklientel ist in 14 Tagen. Die Mehrkosten dafür betragen circa 800 Euro. Aber darüber regen Sie sich sicherlich nicht auf. Anschließend kommt die Hygiene- beauftragte zu Ihnen, für einen Abstrich, damit sich ja keine Mikrobe versteckt und Sie alles gut reinigen können. Aber bitte regen Sie sich nicht auf, wir haben es fast geschafft. Sie müs- sen dann noch einen Wartungs- vertrag unterschreiben, der be- sagt, dass Sie persönlich alle drei Monate zur Revalidierung kommen müssen, ebenso alle zwei Jahre zur Rezertifizierung, ansonsten verlieren Sie die Garantie. Alle Maßnahmen müssen in dieser Praxis durchgeführt werden. Beide, den Wartungs- sowie den Mehrkostenvertrag, müssen Sie unterschreiben. Unglücklicher- weise bin ich heute allein in der Praxis, da beide Mitarbeiterinnen zur Schulung zum Feuerlöscher- beziehungsweise Putzwasser- entsorgungsbeauftragten sind. Letztere ist wichtig, um die Sturz- prophylaxe für ältere Patienten ordnungsgemäß leisten zu können. Leider liegt das entsprechende Formular ganz oben im Schrank. Um es zu holen, müsste ich die Leiter nehmen. Die darf ich nicht benutzen, da die TÜV-Zertifizie- rung gestern abgelaufen ist. Leider haben wir kein weiteres Personal, da diese lebensnotwendigen Maß- nahmen so viel Geld verschlin- gen, dass es den kleinen Praxen verunmöglicht wird, adäquate Gehälter zu zahlen. Ich lebe vom Gehalt meines Mannes, aber ich liebe meinen Beruf sehr. Eigentlich dürfte ich Ihnen dies gar nicht erzählen, denn es gibt ein Sprechstunden- geheimnis. Ach es geht ja doch, die Verschwiegenheitsklausel wurde gerade geändert. Ja sicher Frau Meier, ich freue mich auch auf den nächsten Termin. Teil 2: Eigentlich will ich zu 90 Prozent am Patienten arbeiten, sonst hätte ich einen Beruf in der Verwaltung gewählt und wäre Beamter geworden! Im RZB (Rheinisches Zahnärzteblatt) wird erklärt, die Zahnärzteschaft definiert sich durch den Inhaber einer selbstständig geführten freiberuflichen Praxis. Wie soll ich das verstehen? Wo bin ich denn Freiberufler? Ich habe die Risiken eines freien Berufs in der wirt- schaftlichen Selbstständigkeit, kann aber nicht so agieren. Frei- beruflich bedeutet nach Definiti- on aufgrund besonderer berufli- cher Qualifikation die persönli- che, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Einbrin- gung von Leistung höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit. Wenn ich es gedanklich auf die Spitze trei- be habe ich eine Art von Schein- selbstständigkeit, da letztendlich der Staat mein einziger Auftrag- geber ist. Ich fühle mich als den- kender Mensch mit Hochschul- studium total degradiert und bei Erfüllung all dieser Vorschriften für unmündig erklärt. Und das ohne Bezahlung für diese seitens irgendwelcher Behörden einge- forderte, enorme Zusatzarbeit. All diese Leistungen nicht um- sonst erbringen zu müssen – da- für sollten unsere Standespoliti- ker mit Nachdruck sorgen! ZÄ Lieselotte Rabe, Düsseldorf Foto: SG Pan-iStockphoto/Gromoff-fotolia Ich bin froh, in den USA studiert zu haben. Ich bin froh, über die Grenzen geschaut zu haben. Ich habe dort Patienten behandelt, die schätzen, was ich tue. Die kein Anrecht geltend machen auf staatliche Leistungen, wie es in Deutschland möglich ist. Wo der Patient bereit ist, Verantwortung zu übernehmen für sich selbst, stolz ist auf die errungene Gesundheit und sich somit seine persönliche Freiheit und Menschenwürde er- hält. Ich habe erfahren können, dass man gute Zahnheilkunde in Freiheit erbringen kann und nicht in ständiger Abhängigkeit von staatlichen Versicherungsvor- schriften. Ich habe in der USA er- lebt, als Zahnarzt ein geschätztes Mitglied der Gesellschaft zu sein und von Medien und Politik nicht als krimineller Abzocker dargestellt zu werden. Ja, es gibt in den USA sozial schwache Leute, die das nicht bezahlen können, aber es gibt so viele Kliniken, Krankenhäuser, die diese Bevölkerung unentgeltlich behandeln. Bedürftigen wird ge- holfen. Die anfallenden Kosten werden aus Spenden finanziert! Wo gibt es in Deutschland dieses soziales Engagement? In Deutschland wird dies durch Steuergelder finanziert. Beide Sys- teme haben Vor- und Nachteile. Es lohnt sich, darüber zu disku- tieren und sich dadurch weiter- zuentwickeln, auch in Europa. Dr. Elisabeth Glatz-Noll, Neunkirchen Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behal- ten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an: leserbriefe@zm-online.de oder Zahnärztliche Mitteilungen Redaktion Behrenstraße 42 10117 Berlin. 8 Leserforum

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