Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (156) Der Begriff Mikroplastik bezeichnet Kunst- stoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Unterschieden wird zwischen primärem Mikroplastik, das in Kleinstform Produkten zugesetzt oder frei wird, und sekundärem Mikroplastik, das aus größerem Plastikmüll durch Sonneneinstrahlung, Strömungen und Gezeiten erst im Meer zerkleinert wurde. Primäres Mikroplastik wird vielen Kosmetika als Peeling- oder Putzkörper, Trübungsmittel oder optisches Accessoire zugesetzt. Das Problem: Aufgrund deren geringer Größe passieren manche Mikroplastikpartikel nach der Verwendung die Klärwerke und gelangen über das Abwasser in Flüsse und Meere, wo sie – je nach Dichte – an der Oberfläche schwim- men (wie Polypropylen) oder auf den Boden sinken und sich dort ablagern (wie Acryl). Gröbere Granulate werden in Kläranlagen zwar aus dem Abwasser herausgefiltert, an- schließend aber in Form von Klärschlamm als Dünger auf Feldern ausgebracht. „Von dort aus gelangen die Partikel dann in die Atmosphäre“, erklärt der emeritierte Meeres- biologe Prof. Gerd Liebezeit, der in seinen Arbeiten am Institut für Chemie und Biologie des Meeres an der Carl-von-Ossietzky-Uni- versität Oldenburg Mikroplastik bereits in diversen Lebensmitteln nachgewiesen hat. In Honig, Trinkwasser und Milch zum Beispiel – aber auch in Bier oder Softdrinks. „Im End- effekt ist alles betroffen, was offen verarbeitet wird“, bilanziert Liebezeit. Auch in Regen oder Schnee seien die kleinen Kunststoffteilchen als granulares Material enthalten. 16.000 Tonnen Plastik im Meer durch Kosmetika Kleinere Mikroplastik-Partikel saugen auf ihrem Wasserweg ins Meer lipophile Schad- stoffe auf und reichern sich so mit Weich- machern, Pthalaten, krebserregenden Poly- chlorierten Biphenylen (PCB) oder auch Stoffen wie dem international geächteten Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) an. Wenn diese kontaminierten Plas- tikteilchen anschließend von verschiedenen Wasserlebewesen gefressen werden – was eine Vielzahl von Studien belegt – gelangen diese schließlich über Speisefische und Meeresfrüchte in die Nahrungskette des Menschen. Die Weltnaturschutzunion IUCN schätzt in ihrem 2017 erschienenen Bericht „Primary Microplastics in the oceans“, dass jährlich mindestens 800.000 Tonnen primäres Mikroplastik in die Meere gelangen. Zwei Prozent, also mindestens 16.000 Tonnen jährlich, entfallen dabei auf Mikroplastik aus Kosmetikprodukten. Auch wenn das meiste primäre Mikroplastik imMeer durch das Waschen von Kunstfaser- textilien (280.000 Tonnen/Jahr), den Abrieb von Autoreifen (224.000 Tonnen/Jahr) und Stadtstaub (192.000 Tonnen/Jahr) freigesetzt wird, die internationale Politik hat Kunst- stoffpartikel in Kosmetika als leicht vermeid- bare Emissionsquelle ausgemacht. In den USA regelt etwa der bereits 2015 auf den Weg gebrachte „Microbead Free Waters Act“, dass es seit Juli 2017 verboten ist, primäres Mikroplastik herzustellen oder zu verkaufen. Ähnliches gilt in Schweden. Vergleichbare Verbote traten nun zum Jahresbeginn 2018 in Kanada und Groß- britannien in Kraft, im Juni 2018 folgt Neuseeland. Deutschen Verbrauchern bleiben nur Petitionen In Deutschland setzt die Bundesregierung hingegen auf eine mit der Industrie verein- barte Selbstverpflichtung. Darin wurde im Rückschritt in Deutschland Wieder mehr Mikroplastik in Drogerieprodukten Seit Januar ist es in Großbritannien verboten, in Kosmetik Mikroplastik zu ver- arbeiten – so wie in den USA, Kanada, Schweden und Neuseeland. In Deutsch- land wächst hingegen die Zahl der belasteten Produkte. Auch ein Zahnfleisch- pflege-Gel enthält die Partikel. Laut Definition handelt es sich um Mikroplastik, wenn die Partikelgröße 5 Millimeter unterschrei- tet. Je nach Verwendungszweck sind die Kunststoffteilchen noch gerade mit bloßem Auge zu er- kennen (hier die Putzkörper einer Gaba-Zahnpasta, die mittlerweile nicht mehr auf dem Markt ist), mal sind sie mikroskopisch klein. Archivbild: zm-mg 36 Gesellschaft

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