Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (168) Eine 17-jährige Patientin wurde im Januar 2016 in der Spezialsprechstunde „Seltene Erkrankungen mit oraler Beteiligung“ in der Poliklinik der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Münster mit den noch persistierenden Milchzähnen 55 und 65 sowie mit einer kariösen Läsion mesial an 16 vorstellig. Die Prämolaren 15 und 25 waren nach palatinal durchgebrochen, im Bereich des persistie- renden Milchzahns 65 trat Pus aus, der gesamte Oberkiefer erschien voluminös auf- getrieben (Abbildung 1). Als Grunderkrankung war bei dem Mäd- chen das McCune-Albright-Syndrom mit polyostotischer fibröser Dysplasie bekannt, die charakteristischen Café-au-lait-Flecken stellten sich im Bereich des Kinns deutlich dar (Abbildung 2). Des Weiteren trug sie wegen der ausgeprägten lumbalen Hyper- lordose und der thorakolumbalen, rechts- konvexen Skoliose ein Korsett. Eine Langzeitsauerstofftherapie über eine Nasenbrille war erforderlich, aufgrund der fibrösen Dysplasie wurde die Patientin seit Jahren mit Bisphosphonaten (Aredia- Infusionstherapie) behandelt. In der Pano- ramaschichtaufnahme zeigte sich das cha- rakteristische Erscheinungsbild einer fibrösen Dysplasie (Abbildung 3). Aufgrund der Pus-Bildung in regio 65, des palatinalen Durchbruchs der Zähne 15 und 25 sowie der kariösen Schädigung des Zahnes 16 und der zu erwartenden weiteren Schädigung an 26 erfolgte die Entscheidung, die Zähne 55 und 65 zu ent- fernen. Die subgingivale, kariöse Läsion an Zahn 16 konnte nicht mehr restauriert werden, so dass auch dieser Zahn als nicht erhaltungswürdig eingestuft wurde und ebenfalls entfernt werden sollte. Da die Patientin seit Jahren intravenös Bisphosphonate erhielt, sollte der Eingriff unter den hierfür bekannten Sicherheits- kautelen erfolgen [Grötz KA et al., 2012]. Zunächst bestand die Überlegung, den Ein- griff unter Intubationsnarkose (ITN) durch- zuführen, allerdings wurde seitens der Kol- legen der Anästhesie das Risiko möglicher anästhesiologischer Komplikationen als so hoch eingestuft, dass von einem Eingriff in ITN dringend abgeraten wurde. Im Gespräch mit der Patientin und ihrer Mutter erfolgte die Entscheidung, den Ein- griff unter Lokalanästhesie durchzuführen. Zur Vermeidung einer Medikamenten- assoziierten Kiefernekrose wurde eine peri- operative prolongierte Antibiose mit einem Kombinationspräparat aus einem Amino- penicillin und einem ß-Lactamase-Inhibitor verordnet. Als Lokalanästhetikum wurde Articain mit einem Vasokontriktorzusatz von 1:100.000 als Infiltrationsanästhesie verwendet. Nach Extraktion der Zähne 55 und 65 wurde aufgrund der nun fehlenden Compliance der Patientin und der trotz mehrfacher Infiltrations- anästhesie nicht vollständig zu erzielenden Schmerzfreiheit entschieden, den Zahn 16 in einer zweiten Sitzung zu entfernen. Nach Präparation eines Mukoperiostlappens mit anschließender Periostschlitzung erfolgte der plastische Wundverschluss der Extraktions- alveolen 55 und 65. Postoperativ traten keine Komplikationen auf. Die Entfernung des Zahnes 16 erfolgte drei Monate später unter denselben Bedingun- gen. Etwa einen Monat nach Entfernung der Nähte zeigte sich eine unauffällige Wundheilung (Abbildung 4). Diskussion Das McCune-Albright-Syndrom ist durch die klinische Trias fibröse Knochendysplasie, Café-au-lait-Flecken der Haut und Pubertas Fall 6: Das McCune-Albright-Syndrom Marcel Hanisch, Johannes Kleinheinz Die ersten Anzeichen eines McCune-Albright-Syndroms (MAS) können sich durch schmerzlose Auftreibungen des Alveolarfortsatzes im Fachgebiet des Zahnarztes manifestieren. Ist das MAS als Grunderkrankung bekannt, sollten zahnärztlich- chirurgische Maßnahmen unter strengen Sicherheitskautelen erfolgen. Alle Fotos: Hanisch Abbildung 1: Intraorale Situation mit persistierenden Milchzähnen 55 und 65 und deutlicher Auftreibung des gesamten Oberkiefer-Alveolarfortsatzes 48 Orale Manifestationen seltener Erkrankungen

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