Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 108, Nr. 6, 16.3.2018, (604) Guido Fischer wurde am 22. Oktober 1877 in Dresden geboren, als Sohn des Archi- tekten Bernhard Guido Fischer und dessen Frau Amalie, geborene Hartwig [Wolf, 1981]. Nach Schulbesuchen in Dresden, Zittau und Schneeberg erlangte Fischer 1896 die Prima- reife, was dem erfolgreichen Abschluss der Obersekunda entsprach – und ihn zu diesem Zeitpunkt noch zur Aufnahme des Zahnmedizinstudiums berechtigte, erst 1909 wurde dieses an den Nachweis des Abiturs geknüpft [Wolf, 1981]. Fischer nahm 1897 das Studium in Berlin auf, wo er unter anderem Lehrveranstaltun- gen bei Friedrich Busch, Willoughby Dayton Miller und Ludwig Warnekros besuchte. Nachdem er 1900 die zahnärztlichen Prü- fung mit der Note „gut“ abgeschlossen hatte, war er kurzzeitig als Zahnarzt in Hildesheim tätig, wo er Clara Menshausen kennenlernte und im Jahr 1902 heiratete. Aus der Verbin- dung gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor [Wolf, 1981]. Ebenfalls noch 1902 ließ sich Fischer als Zahnarzt in Hannover nieder und schrieb sich dort an der Tierärztlichen Hochschule ein, wo er sich im (tier)anatomischen Institut insbesondere mit den Lufträumen der Vogellunge beschäftigte. Der Zoologe Carl Chun nahm die so entstandenen „Ver- gleichend-anatomischen Untersuchungen über den Bronchialbaum der Vögel“ als schriftliche Promotionsleistung an, so dass Fischer 1904 den Grad des Dr. phil. er- langen konnte [Wolf, 1981]. In den Folgejahren publizierte Fischer eine Reihe zahnmedizinischer Arbeiten, insbe- sondere über Wurzelresektionen. Fischers fachliche Aktivitäten führten im April 1907 zu seiner Berufung als Leiter der Zahnärzt- lichen Abteilung der Chirurgischen Klinik in Greifswald. Noch im selben Jahr gelang ihm die Habilitation mit dem Thema „Die Anästhesie im Dienste der Entzündungs- therapie“, die zur Ausprägung eines neuen, wegweisenden Forschungsschwerpunkts – der zahnärztlichen Lokalanästhesie – führen sollte [Parreidt, 1909; Wolf, 1981]. Nun folgte eine Periode reichen Schaffens: 1909 publizierte Fischer das Buch „Bau und Entwicklung der Mundhöhle des Menschen“ [Fischer, 1909], noch im selben Jahr gründete er zusammen mit Bernhard Mayrhofer die Fachzeitschrift „Ergebnisse der gesamten Zahnheilkunde“ (1906–1924) und 1911 er- schien schließlich sein Lehrbuch „Die lokale Anästhesie der Zahnheilkunde, mit spezieller Berücksichtigung der Schleimhaut- und Lei- tungsanästhesie“ in Berlin. Es sollte sich zu einem Standardwerk entwickeln, das sich über Jahrzehnte bestens verkaufte und bis 1955 in insgesamt zehn Auflagen erschien [Fischer, 1955a]. Bereits 1912 war das Werk ins Englische übersetzt worden, weitere Sprachen folgten [Wolf, 1981; Korkhaus, 1952; Groß, 1994]. Zudem konstruierte Fischer 1914 eine Injektionsspritze [Groß, 1994]. In Greifswald kam es auch zur Zusammen- arbeit mit Hans Moral (1885–1933), der sich rasch zu einem kongenialen Partner bei den gemeinsamen Arbeiten zur zahnärzt- lichen Anästhesie entwickelte. Beide gelten als Wegbereiter der Lokalanästhesie in der Zahnmedizin. Als Fischer 1911 als Leiter des Zahnärztlichen Instituts nach Marburg berufen wurde, folgte ihm Moral zunächst nach, nahm allerdings bereits ein Jahr später eine Stelle als Oberarzt bei Johannes Reinmöller in Rostock an und wurde später dessen Nachfolger [Groß, 2017]. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich Fischer für den Heeresdienst. Er übernahm die Leitung einer Kriegslazarettabteilung. Seine Erfahrungen als Feldzahnarzt hielt er in mehreren einschlägigen Schriften zur zahnärztlichen Versorgung im Felde fest, die noch vor Ende des Krieges erschienen. Zudem fand Fischer Zeit für etliche weitere Fachbeiträge. Insgesamt blieb Fischer acht Jahre Institutsleiter in Marburg. Dennoch war seine Periode in Hessen überschattet von mehreren Querelen und Streitigkeiten mit dem Kultusministerium, der Fakultät und einzelnen Marburger Kollegen. So wurde Fischer etwa das von ihm beanspruchte Extraordinariat verwehrt. Mit Schreiben vom 18. Juli 1919 ersuchte er schließlich den Universitätskurator in Marburg um Entlassung. Er hatte in der Zwischenzeit zwei Rufe (nach Hamburg und München) erhalten und entschied sich im September 1919 endgültig für Hamburg. Hier gelang ihm – mit Unterstützung des Dekans der Medizinischen Fakultät und der Hamburger Zahnärzteschaft – der Aufbau eines zugkräf- tigen Instituts. Zudem wurde Fischer 1920 das erhoffte Extraordinariat zugesprochen. Neben der Leitung des Zahnärztlichen Instituts fungierte Fischer hier auch als Leiter der Abteilung für klinische Chirurgie [Wolf, 1981]. Fischer verlebte in Hamburg eine ausge- sprochen erfolgreiche Zeit: So kam es etwa zwischen 1919/20 und 1930 zu einer Vervierfachung der Studierendenzahlen. Bis Ostern 1930 wurden insgesamt 330 Zahn- ärzte promoviert. 1921 konnte Fischer zu- dem selbst den (erst 1919 eingeführten) zahnmedizinischen Doktortitel erlangen; hierbei erkannte man die vierte Auflage seines Lehrbuchs über die Lokalanästhesie Wegbereiter der Zahnheilkunde – Teil 12 Guido Fischer – Pionier der Lokalanästhesie Guido Fischer (1877–1959) verfasste ein Standardwerk der zahnärztlichen Lokal- anästhesie, konzipierte den ersten Lehrfilm in der Geschichte der Zahnheilkunde und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur frühen biologischen und pathohisto- logischen Forschung in der Zahnheilkunde. Der QR-Code führt zu den anderen Teilen der Serie „Weg- bereiter der Zahnheilkunde“. Foto: Medizinhistorisches Museum Hamburg 100 Gesellschaft

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