Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (662) Im bleibenden Gebiss hat sich Deutschland bei den 12-Jährigen laut der kürzlich er- schienen DAJ-Studie zur Gruppenprophylaxe [Team DAJ, 2017; siehe zm 6/2018, S. 40–49] einen internationalen Spitzenplatz bei der Kariesprävention erkämpft. Ein Trend, der sich bei den Erwachsenen fortsetzt [IDZ, 2016]. Im Milchgebiss sind jedoch dieselben Eltern und Zahnärzte in Gruppen- und Indi- vidualprophylaxe weit weniger erfolgreich. Dies ist an durchschnittlich drei bis vier kariösen Milchzähnen bei circa 14 Prozent der 3-Jährigen erkennbar, die an frühkind- licher Karies (Abbildung 1a) leiden, und er- höht sich kontinuierlich auf fast die Hälfte der Erstklässler. Schwere Formen der früh- kindlichen Karies ( • 4 dmft) sind bereits bei etwa 5 Prozent der 3-Jährigen vorzufinden [Team DAJ, 2017]. Daher lohnt es sich, die Präventionsstrukturen und Maßnahmen im Milchgebiss genauer zu beleuchten. Das traditionelle Modell der Kariesprophylaxe beruhte bisher auf vier Säulen, die – wie in Abbildung 2a gezeigt – als gleichwertig dargestellt werden: Ernährungslenkung Entfernung von Zahnbelag Fluoridierung regelmäßige Zahnarztbesuche Erfolge vor allem durch die Fluoridierung Bezüglich ihrer wissenschaftlichen Evidenz ist aber schon lange bekannt, dass diese Säulen nicht gleich wirksam sind: Bereits Publikationen aus den Jahren 1996 und 1998 führen die Erfolge in der Kariesprävention vor allem auf den Einsatz von Fluoriden zurück, so dass das Präventionsmodell hinsichtlich der Evidenz eine Schieflage hat (Abbildung 2b). Dies gilt immer noch und wird durch aktuelle systematische Reviews zur Evidenz bei der Wirksamkeit von kariespräventiven Maßnahmen bestätigt [Public Health Eng- land, 2017]. Die Lokalfluoridierung, einschließlich des Putzens mit fluoridhaltiger Zahnpaste, kann präventiv und sogar therapeutisch eingesetzt werden und ist dabei auf hohem Evidenz- niveau wirksam [Kay & Locker, 1998; Trummler & Weiss, 2000; Splieth & Meyer, 1996; de Silva et al., 2016; Cooper et al., 2013; Marinho et al., 2009]. Zähneputzen entfernt damit nicht nur den Zahnbelag, sondern stellt eine tägliche Lokalfluoridie- rung dar, was durch das wöchentliche Putzen mit Fluoridgelee noch intensiviert werden kann [Marinho et al., 2015]. Der kariesprotektive Effekt, der allein auf die Plaqueentfernung zurückzuführen wäre, ist oft schwerer beziehungsweise kaum zu messen. Die wenigen Studien während der Markt- einführung von fluoridhaltiger Zahnpaste legen nahe, dass Putzen ohne fluoridierte Zahnpaste die Plaque- und Gingivitisrate deutlich reduziert, die Karieswerte aber kaum [Koch & Lindhe, 1970]. Somit stellt das Zähneputzen als eine Kombination aus Plaqueentfernung und hochfrequenter Lokal- fluoridierung über Zahnpaste den idealen Präventionsansatz dar, dessen Wirksamkeit ebenfalls eindeutig belegt ist [EAPD, 2009; de Silva et al., 2016; Cooper et al., 2013]. Diese Form der Kariesprävention ist sowohl in der häuslichen als auch in der Gruppen- und Individualprophylaxe vorrangig sicher- zustellen, denn auch aktuell korreliert der Kariesbefall in Deutschland immer noch mit eher gutem oder eher schlechtem Zähne- putzen [IDZ, 2016]. Kinder, die seltener Zur Rolle von Gruppen-, Individual- und Kollektivprophylaxe Mehr Prävention im Milchgebiss! Christian H. Splieth, Elisabeth Schüler, Ruth M. Santamaría, Roger Basner, Julian Schmoeckel Wie kann die Prävention im Milchgebiss und bei Kariesrisikogruppen evidenzbasiert gestärkt werden? Die Wissenschaftler, die die epidemiologische Begleituntersuchung zur Gruppenprophylaxe durchgeführt haben, schlussfolgern: Wir brauchen in Deutschland einen Aktionsplan für das Milchgebiss, mehr Konzentration auf Brennpunkte – und eine deutliche Steigerung des Fluorideinsatzes. Abbildung 1: Etwa jedes siebte Kleinkind leidet an frühkindlicher Karies, schwere Formen von • 4 dmft sind bei etwa 5 Prozent der 3-Jährigen vorzufinden (a). Zähneputzen mit fluoridhaltiger ... Foto: KZBV/BZÄK, Fotografin: Santamaría 30 Politik

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=