Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (682) Seit Einführung des Ney-Klammersystems [Ney Company, 1957] in den Fünfziger- jahren hat sich die gussklammerverankerte Teilprothetik in Deutschland kaum weiter- entwickelt. Das BIOS-System sollte die Steuerbarkeit der Klammerretention verbes- sern [Brunner et al., 1988], hat sich aber nur wenig durchsetzen können. Klinische Ent- scheidungsfindungen zugunsten gussklammer- verankerter Teilprothesen beschränken sich meist auf ungünstige patienten-, organ- oder zahnbezogene Prognoseeinschätzungen oder sind aufgrund finanzieller Limitationen alternativlos. Retrospektive Studien zu Erfolgs- raten [Carlsson et al., 1971; Schwalm et al., 1977; Kerschbaum et al., 1979] unterliegen daher häufig einem negativen Bias und be- feuern den schlechten Ruf der Gussklammer [Jacoby et al., 2014]. Dogmen zur Prothesen- gestaltung werden von Auflage zu Auflage durch die Lehrbücher getragen, die Hono- rierung ist eher schmal und das Thema Gussklammer dürfte die Karriere eines Hochschullehrers oder einer -lehrerin kaum beflügeln. Kurz, die gussklammerverankerte Modellgussprothese darf mit Recht als das „Stiefkind der deutschen Prothetik“ be- zeichnet werden. Der demografische und der gesellschaftliche Wandel könnten ein Umdenken einleiten. So fordert die DMS V vor dem Hintergrund steigender Lebenserwartungen, „geeignete zahnmedizinische Konzepte für die Lebens- phase nach dem Renteneintritt und einer einsetzenden sowie zunehmenden Gebrech- lichkeit bereitzuhalten“ [Jordan et al., 2016]. Die besonderen Herausforderungen der geriatrischen Zahnmedizin sowie die Dis- kussion um die Ressourcenallokation im Ge- sundheitssystem könnten die Gussklammer in ihrer Effizienz, minimalen Invasivität und (scheinbaren) Einfachheit wieder sichtbarer in den Fächer der prothetischen Planungs- alternativen rücken. Die oben skizzierte Patientenklientel ist an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus in Dresden überproportional vertreten (meist durch Überweisungen aus der Praxis). Im Folgenden soll dieser Beitrag anhand von vier Fallbeispielen Varianten der tradierten gussklammerverankerten Teilprothetik vor- stellen, die den besonderen Anforderungen oder Wünschen dieser Patienten mit zufrie- denstellenden Ergebnissen gerecht werden konnten – ästhetisch wie funktionell. Patientenfall 1 Das Orthopantomogramm (Abbildung 1) zeigt die desolate Gebisssituation einer 31-jährigen Patientin mit ansonsten unauf- fälliger Anamnese. Die Patientin wurde nach Gussklammerverankerter Zahnersatz Das Stiefkind der deutschen Prothetik Klaus Böning „Über Modellguss reden wir eigentlich gar nicht mehr“ – sagte ein renommierter Hochschullehrer. Auf einer prothetischen Fachtagung. 1994. In der Tat ver- dämmerte die Wahrnehmung der Gussklammer in Wissenschaft und Fortbildung weitgehend angesichts der technisch ausgeklügelten Kombinationsprothetik, der Fortschritte implantatgestützer Prothetik und der überproportionalen Präsenz des Themas Hochästhetik. Ein Plädoyer für diese Therapieoption. Alle Fotos: Böning 50 Gussklammerverankerter Zahnersatz

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