Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (997) gegnete in einem Bericht an den Senat, dass Ringelmann erst in der gesamten Medizin promovieren und eine Habilitation anschließen müsse, um die formalen Voraussetzungen für eine Professur zu erfüllen. Doch Ringel- mann gab sich nicht geschlagen und wurde nach weiteren Schriftwechseln im Juni 1804 immerhin zum Privatdozenten für das Fach Zahnheilkunde ernannt. Dann kam Ringelmann ein Regierungs- wechsel zu Hilfe: Großherzog Ferdinand III. von Würzburg ernannte ihn 1806 zu seinem Leibzahnarzt. Durch das neue Amt und den Tod des Würzburger Chirurgen Carl Caspar von Siebold ermutigt, bewarb sich Ringelmann 1807 bei der Universität um die Position eines außerordentlichen Professors für Chirurgie. Das Gesuch wurde erwar- tungsgemäß abgelehnt, doch Ringelmann kam seinem Ziel ein weiteres Stück näher: Er wurde 1809 zum Titularprofessor ernannt [Schwarz, 1994; Schröck-Schmidt, 1996]. Der nächste Rückschritt folgte auf dem Fuß: Infolge eines weiteren Regierungs- wechsels (1814) büßte Ringelmann seine Position als Leibzahnarzt ein. So bewarb er sich im August 1815 bei den zuständigen Behörden erneut um ein Extraordinariat in Chirurgie unter Verweis auf den (zutref- fenden) Umstand, dass das Gebiet der Zahnheilkunde von der Chirurgie bis dato stiefmütterlich behandelt werde. Erneut wurde Ringelmanns Gesuch zurückge- wiesen, doch dieser stellte in den Jahren 1822 und 1825 neuerliche Anträge. Nun fuhr die Fakultät schwerere Geschütze auf: Man kritisierte Ringelmanns publikatorisches Oeuvre – mit Ausnahme der Dissertation, bei der man aber unterstellte, dass sie eigentlich von dem verstorbenen Würz- burger Stadtphysikus und Medizinalrat Professor Horsch verfasst worden sei. Ohne- hin seien die Zahnkrankheiten nicht der höheren, sondern lediglich der niederen Chirurgie zuzuordnen; insofern würden sie an der Universität nicht vernachlässigt, son- dern seien naturgemäß den Badern und Barbieren überlassen. Allein praktische Fähigkeiten billigte man Ringelmann zu: Letztere waren allerdings auch kaum weg- zudiskutieren [Schwarz, 1994; Schröck- Schmidt, 1996]. Erneut wendete sich das Blatt: Im Dezember 1825 wurde Ringelmann auf Anordnung König Ludwigs I. zum Leibzahnarzt ernannt. Durch ein königliches Reskript wurde seine Lehrerlaubnis als „Professor ohne Gehalt“ für das Fach Zahnheilkunde erneuert [Schwarz, 1994; Schröck-Schmidt, 1996]. Ringelmann hatte erkennbar an Rückhalt gewonnen. So konnte er nun erwirken, dass der Nachdruck der von ihm heraus- gegebenen Zeitschrift „Über Mund- und Zahnübel“ für einen Zeitraum von zehn Jah- ren verboten beziehungsweise zur Anzeige gebrachte Nachdrucke aus dem Verkehr ge- zogen wurden [Regierungsblatt, 1828]. Ringelmann erfreute sich zeitlebens eines breiten Zuspruchs als praktischer Zahn- behandler. Er lebte in Würzburg in einem ehemaligen Pilgerpflegehaus im Pleichacher Viertel. Hier verstarb er im Alter von 78 Jahren am 5. Juli 1854 als hoch- geschätzter Bürger an „marasmus senilis“ (Altersschwäche) [Schwarz, 1994; Schröck- Schmidt, 1996]. Ein Leben für die Lehre Wie aber ist das Werk Carl Joseph Ringel- manns einzuschätzen? Hier gilt es zwischen dem Dozenten und dem Autor Ringelmann zu differenzieren: Die wissenschaftlichen Schriften waren letzt- lich von begrenzter Bedeutung – insofern war die Kritik der Fakultät nachvollziehbar. Obwohl Ringelmann eine Reihe von Fach- schriften veröffentlichte [u. a. Ringelmann 1800, 1801, 1804, 1805, 1823, 1824], fehlte den Arbeiten das innovative Potenzial eines Philipp Pfaff (1713–1766) oder späterer Fach- vertreter wie Moritz Heider (1816–1866) oder Willoughby D. Miller (1853–1907). Seine Arbeiten boten in vielen Bereichen lediglich Bewährtes auf dem Stand seiner Zeit [Holzhauer, 1962}. Herauszustreichen ist allerdings, dass Rin- gelmann in seinen Hauptwerken [Ringel- mann, 1823 und 1824] den Wert gesunder Zähne und damit die Bedeutung der Pro- phylaxe in den Blick rückte. Modern wirkt auch Ringelmanns Plädoyer für eine natur- nahe, kauzwingende Nahrung [Holzhauer, 1962]. So empfahl er, nach jeder Mahlzeit ein Stück Brotrinde langsam zu zerkauen, um Speichel zu produzieren, der seinerseits der Verdauung förderlich sei. Ausgebackene, mäßig gewürzte Backwaren seien gesalze- nen, essigsauren und würzigen Speisen vor- zuziehen. Auch empfahl Ringelmann eine regelmäßige Zahnpflege von Kindesbeinen an. Schließlich beschrieb Ringelmann zu- treffend die vielfältigen Funktionen zweck- mäßiger Gebissprothesen. Diese hätten die Eigenschaft, den Patienten zu verjüngen, in- dem die Gesichtszüge „in ihrem natürlichen Zustand“ erhalten blieben, den Speichel zurückzuhalten sowie die Stimmbildung, die Artikulation und das Kauen zu erleichtern [Ringelmann, 1824; Holzhauer, 1962]. Insgesamt ist dem Dozenten jedoch deut- lich mehr Bedeutung zuzuschreiben als dem wissenschaftlichen Autor. Ringelmann muss retrospektiv betrachtet als Wegbereiter einer universitären Zahnheilkunde und als frühes Rollenmodell eines zahnärztlichen Hochschullehrers gelten. Mehr als 100 Jahre (!) vor der Einführung des Abiturs als Voraus- setzung für das Studium der Zahnmedizin (1909) lehrte er dieses Fachgebiet bereits an einer deutschen Universität und rückte es somit ins Blickfeld der akademischen Medizin [Groß, 1994]. Univ.-Prof. Dr. mult. Dominik Groß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen University, MTI II Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Der QR-Code führt zu den anderen Teilen der Serie „Wegbereiter der Zahnheilkunde“. Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 101

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=