Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (952) Wird im Rahmen einer Behandlung der zahnärztliche Standard verletzt, so kommen im Verhältnis zum Patienten stets zwei Haftungsgrundlagen in Betracht: die soge- nannte deliktische Haftung und die ver- tragliche Haftung. Beide Haftungsebenen unterscheiden sich hinsichtlich der Person des Haftenden sowie inhaltlich. Die deliktische Haftung: Ob angestellt oder nicht, prinzipiell gilt: Jeder Zahnarzt, der am Patienten tätig wird, haftet bei Behandlungsfehlern gegenüber diesem Patienten. Eine fehlerhafte Behand- lung gilt nämlich als Verletzung der Gesund- heit des Patienten, was nach allgemeinem Zivilrecht eine unerlaubte Handlung (§ 823 BGB) darstellt. Juristisch wird dies auch deliktische Haftung genannt. An dieser de- liktischen Haftung führt für den angestellten Zahnarzt kein Weg vorbei. Wer zum Beispiel als Angestellter versehentlich den falschen Zahn zieht, kann sich nicht darauf berufen, dass der Behandlungsvertrag ja mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurde. Konkret heißt das, dass der Zahnarzt trotz der Anstel- lung persönlich gegenüber dem Patienten haftet. Die deliktische Haftung gleicht jedoch nur Schäden aus (Schmerzensgeld, Verdienst- ausfall etc.). Eine Honorarrückzahlung wegen einer für den Patienten wertlosen Behand- lung kann auf diesem Weg vom Patienten nicht geltend gemacht werden. Die vertragliche Haftung: Aus dem Behandlungsvertrag indes haftet nur der Arbeitgeber. Denn dieser ist Vertrags- partner des Patienten. Dabei haftet der Ar- beitgeber auch für Fehler seines Angestell- ten als sogenannter Erfüllungsgehilfe. Im Gegensatz zur deliktischen Haftung umfasst die vertragliche Haftung sowohl Schaden- ersatz- als auch Erfüllungsansprüche. Beispiel: Der beim Praxisinhaber Dr. Zahn angestellte Zahnarzt A führt eine misslungene Wurzelkanalbehandlung durch. Während der Patient Schmerzensgeldansprüche sowohl gegenüber Dr. Zahn als auch gegenüber A geltend machen kann (nämlich aus Delikt, gegenüber Dr. Zahn zusätzlich aus dem Be- handlungsvertrag), wäre ein Nachbesserungs- verlangen oder eine Honorarrückforderung nur gegenüber Dr. Zahn möglich. Erfüllungsgehilfe auf eigenes Risiko Die vertragliche Haftung ist also inhaltlich weitergehend als die deliktische, weil aus einem Behandlungsvertrag mehr Pflichten resultieren als aus dem allgemeinen Geset- zesrecht. So haftet der Praxisinhaber aus dem Behandlungsvertrag auch für Fehler (auch seines Angestellten) bei der wirt- schaftlichen Aufklärung des Patienten, die diesen „nur“ finanziell treffen. Für derartige Verstöße haftet der angestellte Zahnarzt als Arbeitnehmer gegenüber dem Patienten nicht. Achtung: Für eine fehlerhafte zahnmedizi- nische Aufklärung haftet allerdings auch der angestellte Zahnarzt aus Delikt, denn eine ordnungsgemäße Aufklärung ist erst die Rechtfertigung für den zahnärztlichen Ein- griff. Dieser ist ansonsten als (vorsätzliche!) Körperverletzung zu werten. Gleiches gilt Behandlungsfehler und Recht So haftet der angestellte Zahnarzt Mehr und mehr Zahnärzte wählen heute statt der Niederlassung das Anstellungs- verhältnis. Dies ist nach Meinung vieler Zahnärzte gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Risikolosigkeit. Zudem herrscht häufig der Irrglaube vor, ein angestellter Zahnarzt hafte nicht für berufliche Fehler. Das ist so nicht richtig, die Rechtslage ist komplexer. Wenn doch mal passiert, was nicht passieren darf: Wer haftet, falls der angestellte Zahnarzt den falschen Zahn gezogen hat? Foto: PhotoDisc 56 Praxis

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