Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (953) auch für atypische Pflichtverletzungen. Be- sudelt der angestellte Zahnarzt das teure Designer-Hemd des Patienten mit einer Zahnspülung, so zählt dies als Eigentums- verletzung zur deliktischen Haftung. Begeht ein angestellter Zahnarzt einen Behandlungsfehler, so haftet er zwar selbst deliktisch. Der Patient wird jedoch häufig auch den Praxisinhaber in Anspruch nehmen, denn dieser hat den angestellten Kollegen im Rahmen des Behandlungsvertrags als seinen Erfüllungsgehilfen auf eigenes Risiko eingesetzt. Häufig sieht der Patient in dem Praxiseigner zudem den solventeren Schuldner, ferner lässt sich eine Honorar- rückzahlung nur dem Praxiseigner gegen- über durchsetzen. Wird ein Praxisinhaber auf diese Art zur Kasse gebeten, wird er möglicherweise versuchen, seinen Angestellten in Regress zu nehmen. Ausgangspunkt dafür kann der Arbeits- vertrag sein, dessen „Schlechterfüllung“ den Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeit- geber grundsätzlich haftbar macht. Im Klar- text: Wer schlechte Arbeit abliefert, die zu negativen Konsequenzen führt, erfüllt seinen Arbeitsvertrag nicht vollumfänglich. Der innerbetriebliche Schadensausgleich: Damit aber würde der angestellte Zahnarzt das eigentlich gerade beim Praxisinhaber verortete (und über die Honorarvereinnah- mung ja auch entsprechend abgegoltene) Unternehmerrisiko aufgebürdet bekommen. Zudem sind im Rahmen täglicher Leistungs- erbringung gegenüber dem Arbeitgeber Fehler geradezu unvermeidbar und können nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts daher nicht genauso sanktioniert werden wie die Schlechterfüllung eines einmaligen Dienstes. „Das kann ja mal passieren.“ Das Bundesarbeitsgericht hat daher eine interne Haftungsverteilung nach dem Grad des Verschuldens erarbeitet, den sogenann- ten innerbetrieblichen Schadensausgleich. Grob unterteilt ist der angestellte Zahnarzt nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht verantwortlich für leichte Fahrlässigkeit („Das kann ja mal pas- sieren.“). Er haftet hingegen voll für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit („Das darf einfach nicht passieren!“). Die Verschuldensgrade dazwischen werden zwischen den Arbeits- vertragsparteien aufgeteilt, was im Einzelfall gegebenenfalls ein Arbeitsgericht festlegen muss. Je nach Haftungsverteilung wird die „Außen- haftung“ (also etwa eine Rückzahlung des Arbeitgebers als Praxisinhaber an die KZV oder eine Schmerzensgeldzahlung des an- gestellten Zahnarztes an einen Patienten) zwischen den Arbeitsvertragsparteien aus- geglichen. Beispiel: Wenn der angestellte Zahnarzt also den falschen Zahn gezogen hat, wird er aufgrund grober Fahrlässigkeit regelmäßig seinem Arbeitgeber die Honorar- rückzahlung an die KZV zu erstatten haben. Andererseits können Fehler bei der Einbrin- gung eines Zahnimplantats durch den An- gestellten zu Schadenersatzansprüchen des Patienten führen, für die im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nur der Arbeitgeber haftet. Der Freistellungsanspruch: Im Innenverhältnis zwischen Praxisinhaber als Arbeitgeber und angestelltem Zahnarzt steht dem Angestellten gegenüber dem Praxisinhaber bei Inanspruchnahme durch einen Patienten wegen leichter Fahrlässig- keit ein sogenannter Freistellungsanspruch zu. Hierbei ist der Zahnarzt als Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer von der Haf- tung freizustellen, wenn nach dem inner- betrieblichen Schadensausgleich der Arbeit- geber intern haftet. „Das darf einfach nicht passieren!“ Wird andersherum der Praxisinhaber und Arbeitgeber wegen eines Behandlungsfehlers seines Angestellten vom Patienten belangt, kann der Praxisinhaber allerdings im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht einfach den gesamten Betrag vom Gehalt seines Angestellten einbehalten. Insoweit sind nämlich stets die Pfändungs- freigrenzen zu beachten. Die Berufshaftpflichtversicherung: Es liegt auf der Hand, dass vor dem Hinter- grund der komplexen Arbeitgeber-Arbeit- nehmer-Haftung eine wohldurchdachte Berufshaftpflichtversicherung (auch) für an- gestellte Zahnärzte notwendig ist. Der Praxisinhaber ist grundsätzlich ver- pflichtet, seinem Haftpflichtversicherer auch seine Angestellten zu melden und diese mit zu versichern. Hierbei ist sorgsam zu prüfen, ob sich wirtschaftliche Deckungslücken er- geben können. Ist etwa die Angestellten- tätigkeit im Fall grober Fahrlässigkeit des Angestellten nicht mit-versichert (mit dem Argument, dass in diesem Fall nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich ja im Endeffekt der Angestellte haftet), so kann sich dies als „Bumerang“ erweisen. Dann nämlich, wenn der Patient den Praxisinhaber in Anspruch nimmt und der Angestellte wegen nicht hinreichenden Vermögens nicht oder nur bedingt fähig ist, den Regress seines Arbeitgebers zu erfüllen. Angestellte Zahnärzte müssen sich nicht zusätzlich selbst berufshaftpflichtversichern, es sei denn, sie werden daneben auch selbstständig tätig. Allerdings: Berufsrecht- lich müssen alle selbstständigen und ange- stellten Zahnärzte haftpflichtversichert sein. Zwar ist es gleich, ob sie dies über den Arbeitgeber oder selbst veranlasst sind. Dennoch ist es wegen der Haftung bei grober Fahrlässigkeit ratsam, sich auch als angestellter Zahnarzt freiwillig abzusichern. bbm FACHANWÄLTE FÜR MEDIZINRECHT RA Dr. Simon Alexander Lück Kurfürstendamm 21, 10719 Berlin Bei einem vollgekleckerten Hemd ist die Lage klar: Der angestellte Zahnarzt haftet wegen Eigentumsverletzung. Foto: nexusseven-Fotolia 57

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