Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (987) neben demWettbewerb mit allein medizini- schen Disziplinen wie HNO und plastischer Chirurgie. Die Trennung in der Ausübung der Chirurgie durch Mediziner oder durch Zahnmediziner wurde in Zeiten von mas- senhaften Kieferverletzten aus praktischen Gründen aber immer wieder verwischt und infrage gestellt, so zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg. Anlässlich der dritten Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie 1940 ist durch Härle fol- gende Eröffnungsrede von Georg Axhausen, Berlin, überliefert: „Eine erfolgreiche Versor- gung der Gesichts- und Kieferverletzten, deren Zahl in diesem Kriege größer sein wird denn je, ist ohne Mitarbeit der Zahn- ärzteschaft nicht denkbar.“ Entsprechend wurde in der Zeit des Nationalsozialismus ein monoapprobierter Fachzahnarzt für Kieferchirurgie (übrigens erstmalig auch für Kieferorthopädie) von Reichszahnärzteführer Stuck gegen zahlreiche Widerstände durch- gesetzt [Groß u. Schäfer, 2009]. Diese soge- nannten Kriegszahnärzte haben im Krieg in der Versorgung der Verletzten und weiter in der Nachkriegszeit große Verdienste er- worben. Hoffmann-Axthelm schreibt: „Wer die ersten Nachkriegsjahre im Kampf ums Überleben mit Hungern und Frieren [...] Auflösung von Lazaretten und Lagern nicht mitgemacht hat, wird sie auch an Hand von Berichten und Bildern nie nachvollziehen können“ [Hoffmann-Axthelm, 1985]. Den- noch wurde dieser Fachzahnarzttitel in der Bundesrepublik nicht anerkannt oder weiter verliehen. Der letzte große Höhepunkt an Kieferver- letzten waren die zahlreichen Verkehrsver- letzten in der Prä-Airbag- und Prä-Gurt-Ära mit ihrem Höhepunkt in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhun- derts. Entsprechend wurde in Deutschland erst in dieser Zeit wieder ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie geschaffen, was in den Jahrzehnten zuvor (seit dem Kriegsende) gescheitert war [Wikipedia: Geschichte des Zahnarztberufs, 2018]. Hier hatte sich insbe- sondere der weltkriegsverdiente ehemalige Fachzahnarzt für Kieferchirurgie Werner Hahn, Ordinarius in Kiel und Ehrenmitglied der DGZMK, eingesetzt [Wikipedia: Werner Hahn, 2018]. Im Rahmen der Neuordnung nach dem Krieg wurde auf der Tagung des Verbands der Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kiefer- krankheiten [Mitteilung. Dtsch Zahnärztl Z, 1951] am 29.04.1951 die „Deutsche Gesell- schaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie“ (später mit zugefügtem „Mund-“ als DGMKG) unter Martin Waßmund, Berlin, später Karl Schuchardt, Hamburg, als neues Konstrukt zur Vertretung am Deutschen Ärztetag gegründet. Sie stand Ärzten mit zahnärztlicher Approbation offen und führte die in der Weltkriegschirurgie verdienten Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kiefer- krankheiten in eine Friedensverwendung [Hoffmann-Axthelm, 1985]. Diese Gesellschaft hat damals das heutige Fachgebiet MKG- Chirurgie vor allem gegenüber den plas- tischen Chirurgen [Wikipedia: Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, 2018] definiert und in der Ärzteschaft als eigenständiges Fachgebiet mit damals vier- jähriger Ausbildung zum Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie durchgesetzt [Wikipedia: DGZMK, 2018]. Von der Rekonstituierung zur Axhausen-Gesellschaft Kurz nach der Gründung der Bundesrepublik wurde im Juli 1950 die DGZMK mit neuer Satzung rekonstituiert und als wissenschaft- liche Dachorganisation bestätigt [Groß u. Schäfer, 2009]. Dies war nach dem Krieg rechtlich notwendig geworden, weil die alliierten Besatzer ein Vereinsverbot erlassen hatten. Die DGZMK benötigte eine Ver- tretung der Chirurgie unter ihrem Dach, so dass ein halbes Jahr nach der DGMKG unter dem Gründungsvorsitzenden und Ehrenmitglied Zahnarzt Walter Sauvlet, Osnabrück, am 31.10.1951 die „Arbeits- gemeinschaft für Kieferchirurgie innerhalb der DGZMK“ wieder auflebte, namentlich fast in der Form von 1935, jetzt jedoch um „Zahn“ und „Mund“ verkürzt. Diese Grup- pierung hatte nach Hoffmann-Axthelm auch die verdienten Kriegszahnärzte im Blick, die nach dem Krieg wegen der fehlenden ärzt- lichen Approbation nicht mit einer Fach- arztanerkennung rechnen konnten. Der 75-jährige Axhausen war auf der ersten Tagung am 24.05.1952 in Essen der Haupt- referent zum Thema „Tumoren im Kiefer- und Gesichtsbereich“ und wurde neben seiner Ehrenmitgliedschaft in der DGZMK zum Ehrenvorsitzenden der AGKi ernannt [Fricke, 1952]. Hier war er weiter maß- geblich tätig, so dass die AGKi damals den Spitznamen „Axhausen-Gesellschaft“ im Gegensatz zur „Waßmund-Gesellschaft“ (DGMKG) erhielt. Axhausen hatte sich vom NS-Staat im April 1939 durch ein Gesuch um vorzeitige Emeritierung aus gesundheit- lichen Gründen distanziert (er hatte sich entschieden gegen Zwangssterilisationen von LKG-Spaltträgern ausgesprochen), was ihm nach dem Krieg als Vorteil gereichte so dass er 1946 als einer der ersten Hoch- schullehrer und Unbelasteter wieder in sein Ordinariat an die Charité zurückkehren konnte [Groß, 2018]. Auch das unter- streicht die Kontinuität der heutigen AGKi zur Organisation von 1932. Das Wort „Kieferchirurgie“ wurde im Namen der AGKi beibehalten, obwohl der zugehörige Fachzahnarzttitel von 1935 in der Bundesrepublik nicht weiter verliehen wurde. Aber wenn man in der DZZ Artikel aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ver- folgt, war „Kieferchirurgie“ und „Kiefer- chirurg“ offensichtlich damals schon zum allgemeinen Sprachgebrauch für die doppel- approbierte Berufsform geworden [Rebel, 1946; Axhausen, 1946]. Der relativ beschei- Abbildung 2: Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Franz Härle (*1937 in Berlin), em. Ordinarius für MKG- Chirurgie in Kiel, Schriftführer der AGKi ab 1973 und deren 1. Vorsitzender (1985–89), 2008 wurde er zum vierten Ehrenmitglied der AGKi ernannt (nach Dr. Walter Sauvlet 1885–1965, Prof. Dr. Dr. Hans W. Herrmann 1914–1976, Prof. Dr. Dr. David Haunfelder 1912–1989) Foto: privat 91

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