Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1036) stern – Ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich sind die Leitplanken unseres Berufsstandes! Zum Leserbrief von Dr. V. Alkemper „stern – Passen die Urteile zu den Fakten“, zm 8/2018, S. 8–9. Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Alkemper, Ihr Leserbrief, in dem Sie ver- suchten, die im letzten stern- Artikel des Herrn Dr. Albrecht aufgeworfene und von ihm seriös belegte Kritik an unserem Berufs- stand mit Fakten zu widerlegen, hat ein Kompliment verdient: Wenn es noch eines Beweises be- durft hätte, dass sich der Berufs- stand mit dieser berechtigten Kritik dringlichst auseinanderzu- setzen hat, dann haben Sie ihn geliefert. Ihre ersten acht „Fak- ten“ scheinen Ihnen die heraus- ragend wichtigen zu sein, sind aber ausschließlich betriebswirt- schaftlicher Natur. Verkürzt ge- ben Sie damit nichts anderes kund als: Umsatz kommt vor Patientenwohl. Sie müssen sich daher fragen lassen: Sind Sie in erster Linie Heilberufler oder Kaufmann? Na- türlich müssen wir mit unseren Praxen einen Gewinn erwirt- schaften, weil wir allein vom Patientenwohlergehen selbst nicht leben können. Wenn Sie sich dabei aber vordringlich nach statistisch ermittelten Umsatz- größen ausrichten, dann be- geben Sie sich höchst freiwillig in ein Dilemma, das letztlich zum Nachteil des Patienten ausgehen muss. Selbst auf der rein kaufmän- nischen Ebene läuft das nicht so, wie Sie offenbar glauben. Kein Produzent einer Ware kann es sich erlauben, ein Produkt rein nach eigenem Gutdünken zu be- preisen, weil er glaubt, dass es diesen Preis wert ist. Jeder Kauf- mann muss sich, will er nicht auf seinen Waren sitzenbleiben, am Markt orientieren, also vergleich- bare Produkte in Betracht ziehen und den eigenen Preis im Hin- blick auf die Konkurrenz aus- tarieren. Sogar Apple mit seinem Luxusimage muss das. Der zu erwartende Umsatz be- stimmt hierbei die Größe der Firma, d. h. die Anzahl der Mit- arbeiter und alle sonstigen Betriebskosten. Geht man diese Rechnung anders- herum an, wird man sehr wahrscheinlich Schiffbruch erleiden. Wer eine Praxis einrichtet oder kauft, die zwar die eigenen An- sprüche bestens erfüllt, die aber für den zu er- wartenden Umsatz nicht rentabel ist, der hat sich verzockt und sollte sich die Pleite eingestehen. Wer aber in dieser Situation versucht, den Umsatz künstlich in die Höhe zu schrauben (egal mit welchen Mit- teln, von denen es ja so einige gibt), der gibt in diesemMoment seinen Status als Heilberufler auf handelt in meinen Augen un- ethisch. Dass es für uns immer schon unkalkulierbare Veränderungen gab (Honorarkürzungen bzw. ausbleibende angemessene Er- höhungen desselben durch die Gesundheitspolitik sowie Kosten- steigerungen durch immer neue Praxisauflagen etc.), ist mir dabei wohl bewusst. Und den- noch schaffen es viele Praxen, wegen ihrer kostenbewussten Strukturen gerade nicht in das oben beschriebene Dilemma zu rutschen. Diese Erfordernis kostenbewusster Praxisgestaltung ist ein Diktat des Marktes und kein speziell für die Ärzteschaft erfundener Knebel. Insbesondere der Gesundheits- markt, und zwar sowohl im GKV- als auch im PKV-Bereich, ist ein ziemlich geschlossenes System, da die sich aus Mitgliedsbeiträgen speisenden Ressourcen endlich sind. Wir als die sog. Leistungs- erbringer müssen endlich begrei- fen, dass wir nicht die externen Profiteure eines „Selbstbedienungs- ladens Gesundheitswesen“ sind, sondern im Gegenteil nur ein Teil des gesamten Systems! Aus die- sem Grunde gibt es Verträge und Gebührenordnungen, an die wir uns, nolens volens, zu halten haben und über die wir sogar zur Vermeidung eines inner- ständischen Verdrängungswett- bewerbes froh sein müssen. Und erst vor diesem Hintergrund wird auch klar, dass der Berufsstand nur am eigenen Ast sägt, wenn die Selbstbedienungsmentalität viel zu vieler (Zahn-)Ärzte nicht bekämpft wird. Der stern-Artikel hat darauf nun erneut und notwendigerweise aufmerksam gemacht. Ihre Denkweise, lieber Herr Kollege, entspricht leider der Denkweise sehr vieler Zahnärzte. Und genau das erschreckt mich außer- ordentlich und hat mich mein gesamtes bis- heriges Berufsleben lang beschäftigt. Aus meiner Sicht haben Sie den abso- luten Bock mit folgendem Satz abgeschossen (Zitat): „‘Gute oder sehr gute‘ Leis- tungen sind vom Leistungs- spektrum der GKV explizit ausgenommen, der Leistungs- anspruch des GKV-Patienten ist auf ‚ausreichend, zweck- mäßig und das Maß des Wirtschaftlichen nicht über- schreitende‘ Maßnahmen be- schränkt.“ Hiermit offenbaren Sie, dass es aus Ihrer Sicht Patienten 1. (PKV) und 2. (GKV) Klasse gibt und belegen damit erneut Ihre primäre Ausrichtung als Kaufmann, denn als Heil- berufler. Dieses macht mich einigermaßen fassungslos. Mindestens genauso schlimm: Sie halten diese angebliche Unterscheidung für gesetzlich verankert und somit legitimiert. Wollen Sie wirklich der erstaun- ten Leserschaft Glauben machen, dass der Begriff „ausreichend“ einer Schulnote entspricht? Demnach hätte ja der GKV-Pa- tient nicht nur keinen Anspruch Quelle: zm-Archiv 12 Leserforum

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