Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1046) Deutschlands auflagenstärkste Zeitung ist bekanntlich weniger zimperlich: „Böse Ab- zocke mit unnützen Zahnspangen“ titelte die Bild-Zeitung Ende April und bezog sich dabei auf den just veröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofs, in dem die Prüfer den Nutzen kieferorthopädischer Behand- lungen in Zweifel ziehen. Die Krankenkassen würden jährlich über eine Milliarde Euro für KFO-Behandlungen aufwenden, obwohl de- ren medizinischer Nutzen nur unzureichend erforscht sei. „Vor allem eine fehlende Versorgungs- forschung lässt es fraglich erscheinen, ob Krankenkassen kieferorthopädische Leistun- gen in ausreichendem, zweckmäßigem und wirtschaftlichem Maß erbringen“, kritisieren die Kassenprüfer in ihrem Ergänzungsband zum Jahresbericht 2017. In der „Bemerkung Nr. 9 – Nutzen kieferorthopädischer Behand- lung muss endlich erforscht werden“ prangern sie an, dass bundesweite Daten – etwa über Art, Dauer und Erfolg der Behandlungen, über die behandelten Altersgruppen, über zugrunde liegende Diagnosen sowie über die Zahl der abgeschlossenen Fälle und Behandlungsabbrüche – fehlen. Mit welchem Ziel und mit welchem Erfolg die Kranken- kassen daher jährlich über eine Milliarde Euro für kieferorthopädische Behandlungen aufwenden, sei deshalb „nicht bekannt“. „Bedenklich“ sei laut Bundesgerichtshof dabei vor allem, dass unklar sei, „welche Selbstzahlerleistungen die Versicherten in Anspruch nehmen“. Kein Einblick? Jede KFO- Behandlung wird geprüft! Die Kritik sei „partiell nachvollziehbar, weit- gehend jedoch unverständlich“, äußerte sich der Berufsverband der Deutschen Kiefer- orthopäden (BDK) in einer Stellungnahme. „Wir sind schon sehr überrascht davon, mit welcher Leichtigkeit der Bundesrechnungs- hof einem seit Langem etablierten Fach- gebiet der Zahnheilkunde die Existenz- berechtigung abspricht“, sagt Dr. Hans- Jürgen Köning, Bundesvorsitzender des BDK. Im Grunde nachvollziehbar sei für ihn der Aspekt, im Bereich der Kieferorthopädie existiere zu wenig Versorgungsforschung. „Aber“, sagt Köning, „der medizinische Nutzen kieferorthopädischer Behandlungen steht nach unserer Auffassung keinesfalls infrage.“ Sehr wohl würden ausreichend Studien existieren, die diesen Nutzen wis- senschaftlich belegen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kiefer- orthopädie (DGKFO) versteht die Forderung nach mehr Versorgungsforschung in der Kieferorthopädie, widerspricht jedoch der pauschalen Behauptung, dass der Nutzen der kieferorthopädischen Therapie nicht gesichert sei. „Publikationen auf höchstem Evidenzniveau belegen beispielsweise, dass Fehlstellungen – vergrößerte sagittale Front- Debatte um Nutzen der KFO-Versorgung Zahnärzte widersprechen Kritik des Bundesrechnungshofs Die Kritik kommt von bisher unbekannter Stelle: Der Bundesrechnungshof sieht keinen nachgewiesenen Nutzen der kiefer- orthopädischen Versorgung. Die Zahnärzteschaft hält dagegen: Jede KFO-Behandlung wird von den Krankenkassen geprüft. Ist dies wieder der Einstieg in eine Evidenzdebatte, diesmal in der KFO? „Zahnspangen haben einen zweifelhaften Nutzen“ – diese Kernbotschaft wurde zur Schlagzeile nach dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs. Doch wie steht es wirklich um Transparenz und Evidenz in der KFO?: Teil 1: Wie die Zahnärzteschaft der Kritik widerspricht. Teil 2: Warum RCT-Studien in der Kiefer- orthopädie nicht der Goldstandard sind. Evidenz in der KFO „Obwohl Hunderttausende Kinder und Jugendliche jahrelang Zahnspangen tragen müssen, ist nicht klar, ob diese medizinisch wirklich einen Nutzen haben!“, schrieb die Bild-Zeitung nach der Veröffentlichung des Prüfberichts. Und weiter: „Sogar der Bundesrechnungshof zweifelt am Sinn all dieser Behandlungen.“ Foto: zm-nb 22 Politik

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=