Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1104) Die Erwartungen sind vielfältig – welche Eigenschaft sollte ein guter Chef dennoch zwingend mitbringen? Regina Först: Ich glaube fest an den Satz „Aus Haltung entsteht eine Handlung“. Da- rum denke ich, dass die Haltung, die ein Chef gegenüber seinen Mitarbeitern hat, entscheidend dafür ist, ob er als guter Chef wahrgenommen wird. Eine Führungskraft muss Menschen mögen. Punkt. Und sie muss daran interessiert sein, Menschen zu entwickeln – also die Mitarbeiter zu fördern und zu fordern. Fußballtrainer Joachim Löw ist dafür ein gutes Beispiel. Er guckt vor allem neugierig auf seine Spieler: Sind sie in der richtigen Po- sition? Muss ich sie umbesetzen? Brauchen sie eventuell ein anderes Training? Seine Haltung gegenüber der Mannschaft ist: „Ich mag jeden einzelnen meiner Spieler und will jeden von ihnen weiter nach vorne brin- gen.“ Solch eine positive Haltung zu haben, ist unglaublich wichtig. Denn nur dadurch werden Führungskräfte auch authentisch. Wie muss ich vorgehen, wenn ich solch eine positive Haltung gegenüber mei- nen Mitarbeitern gar nicht habe? Wir alle kommen – das ist klar erwiesen – als soziale Menschen auf die Welt. Schon als Säuglinge sind unsere Sozialkompetenzen wahnsinnig hoch entwickelt, ohne könnten wir gar nicht überleben. Leider werden diese Sozialkompetenzen jedoch meist in der Schule, in der Lehre und während des Studiums wieder systematisch abtrainiert. jeder Mensch trägt zwei neurobiologische Grundbedürfnisse in sich. Sie entscheiden, ob der präfrontale Kortex gut arbeiten und Potenziale entfalten kann, oder nicht: Das sind Verbundenheit und Gestaltbarkeit. Wenn diese Bedürfnisse durch schlechte Führung unerfüllt bleiben, sind die dort liegenden Fähigkeiten nicht abrufbar. Früher wurden Soft Skills ja eher belächelt. So ganz hat sich dieses Be- wusstsein immer noch nicht geändert, oder? Das stimmt. Nachdem wir die Schule, eine Ausbildung oder ein Studium durchlaufen haben, sind wir alle mit einem „Experten- wissen“ ausgestattet. Bei Zahnmedizinern ist dieses Expertenwissen sogar besonders umfassend. Ihnen wird im Studium ein so enormes Detailwissen vermittelt, dass man nur staunen kann. Was dabei allerdings im- mer noch viel zu kurz kommt, ist die Frage, wie man Führungskompetenz für die eigene Praxis erlernen kann. Das ist unglaublich schade. Denn ich erlebe immer wieder, dass die Konflikte später in der Praxis fast aus- schließlich auf dem Miteinander (WIE – Beziehungsebene) und nicht auf der Sach- ebene (Was – Expertenwissen) liegen. Wie kann ich mir Sozialkompetenz am besten aneignen? Haben Sie einen praktischen Tipp? Einer der Hauptfehler von Führungskräften ist, dass sie Mitarbeitern nicht RICHTIG zu- hören. Folgende Situation ist ganz typisch: Der Mitarbeiter kommt mit einem Anliegen zum Chef, der Chef hört mit einem Ohr zu, tippt derweil aber weiter an seinen E-Mails oder schaut aufs Handy. Am Ende verab- schiedet sich der Mitarbeiter mit einem „ne“, „gell“ oder „ja“ und geht mit dem Gefühl „mir wurde gar nicht richtig zuge- hört“. Und der Chef fragt sich, „was hat der denn jetzt eigentlich gewollt?“. Das ist eine unbefriedigende Situation für beide Seiten. Dieses „Nicht-zuhören-wollen“, also sich nicht wirklich Zeit für den anderen nehmen zu wollen, ist einer der schlimmsten Fehler, die sich aus nicht vorhandener Sozialkom- petenz ergeben. Aufgebrochen wird die Situation erst in dem Moment, in dem der Chef den Mitarbeiter tatsächlich als Mensch und nicht nur als Mitarbeiter in seiner Funk- tion sieht. Denn erst dann hat er ECHTES Interesse daran, ihm zuzuhören. Mein Tipp für Sie: Blicken Sie immer auf die Stärken und Werte Ihres Mitarbeiters: Was ist er für ein Mensch? Und was kann ich ihm geben, damit er in meiner Praxis Vollgas gibt? Sie coachen seit vielen Jahren Zahn- arztpraxen. Welche strukturellen Veränderungen konnten Sie dabei feststellen? Durch die Generation Y hat sich schon viel geändert. Die Hierarchie in der Praxis wird zunehmend flacher – ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, dass „Chef-Sein“ dann in der Form stattfindet, dass der Chef derje- nige ist, der die Fragen stellt. Aktuell sind wir aber noch in der Situation, dass „Chef-Sein“ heißt am Steuer zu sein. Der Chef ist der Leuchtturm, er übernimmt die Vorbildfunk- ? ? ? ? ? Regina Först zur Frage „Wie werde ich ein guter Chef?“ Denken Sie wie Jogi Löw! Die Erwartungen an den Praxisinhaber als Führungsperson – sowohl die eigenen als auch die der Mitarbeiter – sind bekanntlich groß: Einfühlsam, souverän, fair, klar, konstruktiv, selbstkritisch, tolerant sollte er sein ... Doch wie komme ich dahin? „Eine Führungskraft muss Menschen mögen. Punkt.“, sagt Kommunikationstrainerin Regina Först – und empfiehlt Fußball gucken. Regina Först zählt zu den erfolgreichsten Unternehmensberaterinnen im deutsch- sprachigen Raum. Zu ihren Kunden gehören Audi, Beiersdorf, VR Banken, REWE, Shell oder Wella. Seit über 25 Jahren führt sie in Vorträgen und Coachings Menschen auf den Weg zu Authentizität, Klarheit und Stärke. Foto: M. Goldenbaum 80 Praxis

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