Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 108, Nr. 13, 1.7.2018, (1502) Herr Schrader, mit dem GKV-Ver- sorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber den Weg frei gemacht für arztgruppengleiche MVZ – und damit auch für rein zahnärztliche MVZ. Welche Folgen hat das für den Markt und die Versorgung? Harald Schrader: Bis zum Jahr 2015 spielten die bis dahin möglichen arztgruppen- übergreifenden Versorgungszentren eine nachgeordnete Rolle in der Versorgung mit zahnmedizinischen Leistungen. Durch die Öffnung hin zu arztgruppengleichen MVZ wurde der ambulante zahnmedizinische Markt für Kapitalanleger attraktiv. Seitdem haben sich fast 600 MVZ gegründet, darunter etliche, die durch den Aufkauf von maroden Krankenhäusern ein Einfallstor in den ambulanten Markt gefunden haben. Dies hat gegenüber den tradierten Nieder- lassungsformen – wie BAG oder ÜBAG – zu starken Wettbewerbsverzerrungen geführt. Neben Vorteilen bei der Niederlassung und unbegrenzten Anstellungsmöglichkeiten er- zielen größere Organisationsformen durch Skaleneffekte und Synergien betriebswirt- schaftliche Gewinne, die für die herkömm- lichen Berufsausübungsformen nicht reali- sierbar sind. Hier setzen wir mit unseren Überlegungen an. Richtig, der FVDZ macht sich für Ge- nossenschaftsmodelle stark. Welche Konstruktionen schweben Ihnen in dem Zusammenhang vor? Unser Genossenschaftsmodell findet auf zwei Ebenen statt. Die eine Ebene ist die Überlegung, die Wettbewerbsvorteile der merkantil gesteuerten MVZ auch den her- kömmlichen Praxen zugänglich zu machen. Allen Praxen laufen die Kosten für über- bordende Bürokratie, für Hygiene, Röntgen oder Personal – um nur einige der Haupt- ursachen zu nennen – davon. Hier soll eine gemeinschaftlich organisierte Dienstleis- tungsgenossenschaft Hilfe bieten. Uns schweben Paketlösungen für alle Bereiche der Praxisführung vor. Nicht Einzelangebote für Abrechnung oder Validierung, sondern ein Angebot, das alle Bereiche der Praxisfüh- rung von Personal bis Einkauf umfasst. Die Teilnehmer an einer solchen Gesellschaft profitieren gleich doppelt: einmal über den Einkauf von günstigen Dienstleistungen, zum anderen als Genosse bei der Ausgestal- tung der Gesellschaft und natürlich bei der Ausschüttung des Unternehmensgewinns. Wir praktizieren dieses Modell als Heil- berufler übrigens schon recht erfolgreich bei unserer Standesbank, die ja auch genossenschaftlich organisiert ist. Genossen- schaften sind eine sehr moderne und erfolg- reiche Körperschaftsform, siehe auch EDEKA oder Datev. Auf der anderen Ebene wollen wir die Gründung von Genossenschaften zum Zweck der gemeinschaftlichen Berufsaus- übung befördern. Viele junge Kolleginnen und Kollegen möchten sich selbstständig machen, schrecken aber vor den hohen Investitionen und der starken Arbeits- belastung zurück. Hier bietet eine genossen- schaftliche Lösung Vorteile für Praxis- abgeber, aber auch eine moderne Ausge- staltung bei der Übernahme. Arbeitsteilung und Spezialisierung, aber auch ökonomische Vorteile können unter einen Hut gebracht werden. Es führt zu weit, hier auf alle Details und Möglichkeiten einzugehen. Hierzu werden wir weiter In- formationsveranstaltungen in der ganzen Republik anbieten. Die Auftaktveranstaltung in Bremen war ein voller Erfolg, besonders weil auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen teilgenommen haben. Der Gene- rationenvertrag kann auf diese Weise wieder mit neuem Leben erfüllt werden. Wie unterscheiden sich solche Modelle von den sogenannten Großversorgungsstrukturen, die in aller Regel von Fremdinvestoren aufgebaut werden? Alle merkantilen Großstrukturen dienen nur einem Ziel: der Gewinnmaximierung! Einziger Zweck ist die ökonomische Opti- mierung, um das Konglomerat spätestens nach fünf bis sieben Jahren gewinnbringend weiterzuveräußern. So entsteht im ambu- lanten Bereich eine Blase, die irgendwann platzt. Dies ist mit einer nachhaltigen, den Patienten zugewandten Versorgung nicht vereinbar. Wer die ambulante zahnärztliche Versorgung meistbietend versteigert, wird eine schlech- ? ? ? Interview mit Harald Schrader „Alle merkantilen Großstrukturen dienen nur der Gewinnmaximierung!“ Investoren gründen Zahnärzte-MVZ um des Geschäfts wegen, die Qualität der Patientenversorgung interessiert sie nicht. Für den Vorsitzenden des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Harald Schrader, ist das Genossenschaftmodell eine Alternative. Foto: vege-Fotolia

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=