Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1878) Die aktualisierte Leitlinie richtet sich an alle in die Betreuung von Patienten mit Strah- lentherapie im Kopf/Halsbereich eingebun- denen Ärzte und Zahnärzte. Sie beschreibt, welche Maßnahmen vor, während und nach einer Strahlentherapie notwendig und sinnvoll sind, um die Ereignisrate der IORN zu senken. Außerdem werden Maßnahmen zur Früherkennung und zur suffizienten Diagnostik und Therapie der Erkrankung ge- nannt. Im Rahmen des interdisziplinären periradio- therapeutischen Behandlungskonzepts kommt der zahnärztlichen Betreuung von Patienten mit Bestrahlung im Kopf-Hals- Bereich durch den behandelnden Zahnarzt eine zentrale Rolle zu. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Inhalte der Leitlinie für den zahnärztlichen Alltag zusammen. Unter dem Begriff IORN versteht man ein Krankheitsbild, bei dem es durch die Be- handlung mit hochenergetischer Strahlung im Rahmen einer Tumortherapie des Kopf- Hals-Bereichs zur Ausbildung umschriebe- ner Nekrosen des Kieferknochens mit Super- infektion durch ortsständige Keime der Mundhöhle kommt. Typische klinische Merkmale sind enorale Schleimhautulzera- tionen mit chronisch freiliegendem Kiefer- knochen [Morrish et al., 1981, Beumer et al., 1979; Marx, 1983]. Die Symptomatik ist durch ein variables und schwer klassifizier- bares klinisches Bild gekennzeichnet. Zu den IORN bedingten Komplikationen zählen vor allem Beeinträchtigungen der Kau-, Schluck- und Sprechfunktion. Das klinische Leitsymptom der IORN ist der langfristig (3 bis 6 Monate) inspekto- risch und sondenpalpatorisch freiliegende avitale Kieferknochen bei sattgehabter Be- strahlung im Kopf-Hals-Bereich. Die Angaben zur Prävalenz dieser schwer- wiegenden Langzeitkomplikation der (tu- mortherapeutischen) Bestrahlung im Kopf- Hals-Bereich reichen von 0 bis 23 Prozent [Schuurhuis et al., 2015]. Häufigste Lokalisa- tion ist der Unterkiefer, was vermutlich auf die geringere Gefäßversorgung, die geringere Zahnersatzauflagefläche und die häufigere Integration in das Bestrahlungsvolumen zu- rückzuführen ist. Zu den patienten- und er- krankungsbedingten Risikofaktoren zählen vor allem das männliche Geschlecht, eine schlechte Mundhygiene sowie Prothesen- druckstellen [Reuther et al., 2003; Raguse et al., 2016]. Zu den therapiebedingten Risiko- faktoren zählen ausgedehnte Tumorresek- tionen mit Osteotomie – vor allem im Unter- kiefer [Studer et al., 2016] –, periradiothera- peutische dentoalveoläre Eingriffe [Thorn et al., 2000] sowie die Höhe der applizierten Gesamtdosis [Lee et al., 2009]. Patienten vor und nach einer Strahlenthe- rapie sollen über das Risiko einer IORN auf- geklärt und zu einer überdurchschnittlichen Mundhygiene angehalten werden. Dentoalveoläre Eingriffe gehen lebens- lang mit einem hohen IORN-Risiko einher. S2k-Leitlinie Infizierte Osteoradionekrose der Kiefer (IORN) Maximilian Krüger, Bilal Al-Nawas, Knut A. Grötz Zum Krankheitsbild der infizierten Osteoradionekrose (IORN) ist jetzt eine Aktua- lisierung der S2k-Leitlinie erschienen. Ihre Überarbeitung erfolgte interdisziplinär unter Beteiligung von Zahnmedizinern, Fachärzten für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Strahlentherapeuten im Auftrag der Deutschen Gesell- schaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG). Abbildung 1: Klinisches Bild einer infizierten Osteoradionekrose (IORN). Freiliegender avitaler Knochen am linken aufsteigenden Unterkieferast sowie Granulationsgewebe mit putrider Sekretion regio 37 bei einer Patientin, die aufgrund eines zervikalen Lymphoms eine adjuvante Bestrahlung erhalten hatte. Alle Fotos: Klinik für MKG-Chirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz 38 Zahnmedizin

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