Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 108, Nr. 18, 16.9.2018, (2028) Versorgungsalltag fest etabliert, ohne dass Berichte über signifikante Fehlentwicklungen vorliegen. Die Frage, ob die Versorgung mit Dentalketten tatsächlich problemarm verläuft oder ob die fehlenden Berichte über eine im Argen liegende Realität hinwegtäuschen, ist noch offen und zeigt weiteren Bedarf an Aufklärung an. Interessant wäre es zweifellos, länderübergreifend Vergleichszahlen über die Patientenzufriedenheit beziehungsweise die Patientenbeschwerden in Dentalketten und herkömmlichen Versorgungsformen zu erheben. Das würde – anders als die Aufzählung von Einzelfällen – bei entspre- chend repräsentativer Aussagekraft der Erhebungen Rückschlüsse auf die Versorgungsqualität zulassen. Braucht es nur seriöse(re) Investoren? In der aktuellen MVZ-Debatte wird viel über die Frage diskutiert, wer berechtigt sein sollte, größere Versorgungsstrukturen zu gründen. Angesichts der besonderen Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Zahnarzt und Patient dürfte ein seriöser Investor neben der Rendite auch ein Interesse daran haben, dass die in seiner Dentalkette angebotenen Leistungen auf einem entsprechenden Qualitätsniveau erbracht werden, um sein Investment nicht zu gefährden. Die Gefahr der Rufschädigung einer Dentalkette mit einheitlichemMarkenauftritt dürfte ungleich größer sein als bei einer Einzelpraxis. Andererseits hat die weitgehende Deregulierung bei den Gründungsvoraussetzungen von Ketten auch dazu geführt, dass halbseidene Glücksritter und Spekulanten zu Anbietern von Gesundheitsversorgung werden konnten. Eine bereits heute sichtbare Folge der Konzentration von zahnärztlichen Leistun- gen in Dentalketten ist die zunehmende Abhängigkeit der Versorgungssicherheit von einzelnen Anbietern. Sollte beispiels- weise die britische Kette Mydentist tat- sächlich den Betrieb einstellen, wären landesweit auf einen Schlag vier Millionen Patienten betroffen. Selbst wenn sich dann für einzelne Praxen schnelle Lösungen für die Weiterführung durch einen anderen Betreiber finden, wäre der Wegfall an Kapazitäten für die zahnärztliche Versor- gung enorm und könnte kaum von anderen Anbietern aufgefangen werden. Auch bei Insolvenzen kleinerer Ketten, die nur lokal höhere Marktanteile haben, können die Ausfälle an Versorgungskapazität schnell schmerzhaft werden. Die Abhängigkeit der Versorgungssicher- heit von zahnärztlichen Großversorgungs- strukturen ist ein systemisches Risiko dieser Versorgungsform, das unabhängig von den spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern besteht. Mit der zu- nehmenden Ausbreitung großer Dentalketten und MVZ wird dieses Thema auch in Deutschland allmählich in den Fokus der Gesund- heitspolitik geraten. Ausblick Der bislang noch sehr lückenhafte Blick auf die Erfahrungen mit Den- talketten in Europa liefert gute Gründe, die politisch immer wieder vorgetragenen Argumente einer angeblich besseren Patientenversor- gung durch Dentalketten und große MVZ einer gründlichen Über- prüfung zu unterziehen. Angesichts der rasanten Entwicklung von Dentalketten in ganz Europa ist eine vertiefte Analyse der Erfahrungen im europäischen Vergleich dringend notwendig. Eine der Arbeits- gruppen des CED ist vor diesem Hintergrund aktuell im Begriff, Erfahrungswerte aus allen EU-Staaten zusammenzutragen und zu be- werten. Die ersten Ergebnisse sollen bis Jahresende vorliegen. In Deutschland befasst sich derzeit die Bundeszahnärztekammer intensiv mit der Frage, wie das zahnärztliche Berufsrecht genutzt werden kann, um Fehlentwicklungen mit MVZ, Dentalketten und Großversorgermodellen vorzubeugen. Literatur: KPMG International Cooperative: „The dental chain opportunity“, 2017, https://home.kpmg.com/xx/en/home/insights/2017/05/the-dental- chain-opportunity.html, Abrufdatum: 03.09.2018 The Times, Why the dental business became more and more like pulling teeth, Harry Wilson, City Editor. July 30 2018, 12:01am Bessere Versorgung durch Dentalketten? Fehlanzeige! Über Kettenpraxen beschweren sich die Patienten fast 25-mal häufiger als über die Praxen niedergelassener Zahnärzte. Knapp 74 Prozent der Beschwerden betreffen die zahnärztliche Diagnostik und Behandlung, das heißt die zahnmedizinische Versorgungsqualität. Von den 21.628 Praxen in Spanien werden 20.411 (94,4%) von niedergelassenen Zahnärzten, 852 (3,9%) von Dentalketten und 365 (1,7%) Praxen von Versicherungen betrieben. Die spanische Zahnärztekammer erhob in den Jahren 2013–2015 insgesamt 4.648 Patientenbeschwerden. Davon betrafen 2.213 (47,6%) nieder- gelassene Praxen, 2.258 (48,6%) Dentalkettenpraxen und 177 (3,8%) Beschwerden gingen über von Versicherungen betriebene Praxen ein. Das Diagramm zeigt die unter Berücksichtigung von Anteilen an Zahnarztpraxen und Patienten- beschwerden ins Verhältnis gesetzten Daten für die einzelnen Versorgungsformen. Quelle: Consejo General de Colegios de Odontólogos y Estomatólogos de España, 2017 16 Politik

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