Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 108, Nr. 18, 16.9.2018, (2042) bei Prof. Peter Cichon in Witten-Herdecke. Er hat mich sehr ermutigt“, erinnert sich Elsäßer. Heute gebe es ein breites Angebot. Außerdem passierten Teamfortbildungen aus Erfahrung des Zahnarztes ganz automatisch im Alltag – über „das tägliche Tun, über den Austausch mit den Heilerziehungspflegern und mit den Angehörigen“. Die Behandlung von Patienten mit Behinde- rung unterscheidet sich für Elsäßer von der nicht behinderter Patienten häufig nur in der Frage des „Wie?“. Elsäßer: „Wenn wir zum Beispiel Implantate bei entsprechender Indikation setzen, stellt sich die Frage: Geht es im Wachzustand oder besser in Narkose?“ Auf die Frage nach der betriebswirtschaft- lichen Seite seiner Arbeit antwortet er: „Inte- ressierten jungen Kollegen sage ich immer: Fünf bis zehn Menschen mit schweren Be- hinderungen kann jede Praxis vertragen auch wenn deren Behandlung völlig defizi- tär ist. Zehn bis 50 ist schon eine kritische Größe, da der administrative und zeitliche Aufwand enorm höher ist als bei nicht be- hinderten Patienten. Ab 50 lohnt es sich, ein spezielles Konzept zu entwickeln. Dazu kann die strukturierte Aufklärung der recht- lichen Betreuer und des Heimpersonals ge- hören oder Genehmigungsverfahren mit den Krankenkassen zum Beispiel zur Kran- kenbeförderung. Mit einem klaren Konzept rechnet es sich.“ Die neuen Abrechnungspositionen nach § 22a sind laut dem Praxisinhaber sehr interessant. „Wie sich diese betriebswirtschaftlich aus- wirken, muss man noch abwarten. Ich sehe aber neben dem Benefit für die Patienten durchaus auch eine wirtschaftliche Verbes- serung für uns Zahnärzte“, so Elsäßer. Eine gut durchmischte Praxis zu haben, sei aber nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht rat- sam, erklärt der Zahnarzt: „Viele Patienten mit Behinderung und auch deren Umfeld benötigen häufig viel Geduld und Verständ- nis. Die psychische und auch die physische Belastung ist höher und wäre fünf Tage in der Woche auch nicht leistbar, zumal die Menschen mit Behinderung auch immer älter und pflegebedürftiger werden.“ Zudem sei es hilfreich, bei behinderten Patienten, die sich nicht mitteilen können, auf die Erfahrung aus der Behandlung von nicht behinderten Patienten zurückgreifen zu können, besonders bei der Schmerz- diagnostik. „Fachlich und menschlich so abwechslungsreich!“ Nach 23 Jahren in eigener Praxis lautet Elsäßers Fazit: „Die Arbeit mit Menschen mit Behinderung ist fachlich und menschlich so abwechslungsreich und bietet immer wieder neue Facetten, dass die Freude am Zahnarzt-Sein bis heute anhält.“ Susanne Theisen Freie Journalistin partner für Angebote seien die Landeszahn- ärztekammern oder die Länderbeauftragten der DGAZ. Bei der verstärkten Behandlung pflegebe- dürftiger Patienten stellt sich Praxisinhabern auch die Frage: Zahlt sich der Aufwand am Ende aus? „Ja“, antwortet Kesler ohne zu zögern. „Zwar ist es aus rein betriebswirt- schaftlicher Sicht nicht ganz so einfach, eine ausreichende Rendite zu erwirtschaften, doch wenn man die Abläufe optimiert, lässt sich ein zumindest zufriedenstellendes Ergebnis erreichen. Wenn man es zulässt, ist darüber hinaus der ideelle Zugewinn in Zahlen nicht zu bemessen. Meine emotional schönsten Erlebnisse als Zahnarzt hatte ich bei Haus- besuchen.“ „Mit einem klaren Konzept rechnet es sich“ Dr. Guido Elsäßer, niedergelassener Zahn- arzt in Kernen und Vorstandsmitglied der AG ZMB, war schon bei Praxisgründung im Jahr 1995 klar, dass er die Betreuung von 1.200 Menschen mit geistiger oder mehr- facher Behinderung übernehmen würde. Nach seiner Assistenzzeit hatte er einen Anruf erhalten vom damaligen Chefarzt des ärztlichen Dienstes einer großen Behinderten- wohneinrichtung in der Region, ob er die Betreuung der Bewohner übernehmen wolle. Die Aufgabe reizte ihn und er nahm an. „Aus diesem Grund hatten wir schon immer eine spezielle Aufteilung der Sprechzeiten. Zu zwei Dritteln behandeln wir nichtbehin- derte Patienten, ein Drittel ist für die Special- Care-Sprechstunde reserviert“, erklärt Elsäßer. Die meisten Patienten mit Behinderung, die er in seiner Praxis sieht, seien geistig und mehrfach behindert. Da er eine barrierefreie Praxis hat, kämen aber auch viele Rollstuhl- fahrer und immobile pflegebedürftige Patienten. Neben baulicher Barrierefreiheit achten Elsäßer und sein Team auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Heimärzten und einem Anästhesieteam. Als der Zahnarzt mit 29 Jahren seine Praxis startete, gab es noch keine Fortbildungs- möglichkeiten im Bereich der Behinderten- zahnheilkunde – weder für Zahnärzte noch für ihre Mitarbeiter. „Ich hospitierte damals In Deutschland leben nach Angaben des Statistischen Bundesamts 7,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Die Zahl der Pflegebedürftigen belief sich Ende 2015 auf rund 2,86 Millionen Menschen, kann aber laut Prognose der Statistiker bis 2030 auf 3,4 Millionen ansteigen, bis 2040 sogar auf 4,5 Millionen. Die Mundgesundheit in diesen beiden Gruppen ist schlechter als im Bevölke- rungsdurchschnitts. Vor allem ihr Risiko für Karies-, Parodontal- und Mund- schleimhauterkrankungen ist deutlich erhöht. Der Tag der Zahngesundheit richtet in diesem Jahr am 25. September daher den Fokus auf die Mund- gesundheit dieser beiden Patien- tengruppen. Weitere Informatio- nen zum Aktionstag, verschiedene Materialien sowie eine Übersicht über geplante Veranstaltungen finden Sie unter: www.tagderzahngesundheit.de . Gesund im Mund – bei Handicap und Pflegebedarf H INTERGRUND 30 Tag der Zahngesundheit 2018

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=