Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 108, Nr. 19, 1.10.2018, (2254) Das Mikrobiom – die Gesamtzahl der Bakte- rien in Mund und Rachen, auf der Haut, im Vaginalbereich und im Darm – enthält etwa fünf bis acht Millionen unterschiedliche Gene. Das ist weitaus mehr genetisches Material als im menschlichen Genom mit seinen schät- zungsweise 100.000 Genen überhaupt ent- halten ist. Die bakterielle Vielfalt ist vor allem im Mund und im Darm sehr hoch, allein rund 1.000 verschiedene Bakterienspezies können unseren Darm besiedeln. Ökosystem Darm Gesunde Menschen tragen in aller Regel 160 Spezies in ihrem Darm spazieren. Sie helfen dem Menschen beim Aufschluss der Nahrung – insbesondere der Ballaststoffe –, fördern die Aufnahme von Nährstoffen ins Blut und haben Einfluss auf den Fett- und auf den Gallensäure-Stoffwechsel. Das Mikro- biom kann außerdem Giftstoffe abbauen und hat Auswirkungen auf das Immunsystem, was den Zusammenhang zu den unterschied- lichsten Krankheitsbildern erklären kann. Die Darmflora leistet folglich einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit, wenn auch nach wie vor die optimale bakterielle Zusammen- setzung nicht genau bekannt ist. Es scheint sich vielmehr um ein regelrechtes Ökosystem im Darm zu handeln, das gesundheitliche Aspekte über das Zusammenspiel der ver- schiedenen Organismen steuert. Die Darmflora ist dabei Teil der gesamten Mikrobiota, also der Gesamtheit aller Mikro- organismen und somit aller Bakterien, Pilze und Viren, die den menschlichen Organis- mus von der Haut über die Mundhöhle bis zum Enddarm besiedeln. Vor allem die Darm-Mikrobiota steht derzeit im Fokus der Forschung. Das bakterielle Ge- tümmel im Darm entwickelt sich bereits in utero über das Fruchtwasser. Die Zusammen- setzung des späteren Mikrobioms ist unter anderem abhängig davon, mit welchen Bakterien ein Neugeborenes in Kontakt kommt. Damit spielt auch die Frage eine Rolle, ob die Geburt auf normalem Weg er- folgte. Die Zusammensetzung des Mikro- bioms kann vermutlich sogar eine Früh- geburt begünstigen. Sie kann auch mit- verantwortlich sein für das erhöhte Risiko von Kaiserschnitt-Kindern für die spätere Entwicklung von Krankheiten wie Asthma, Fettleibigkeit oder einem Typ-1-Diabetes. Wie sich die Darmflora zusammensetzt, hängt auch davon ab, ob der Säugling ge- stillt wurde und wie er weiter ernährt wird. Auch hygienische Faktoren sowie Impfungen können die konkrete Zusammensetzung beeinflussen. Die „normale“ Darmflora ent- wickelt sich bis zum zweiten bis dritten Lebensjahr – mit dem jeweils individuellen Bakterienspektrum – und bleibt während des weiteren Lebens weitestgehend stabil. Die Zahl der Bakterien im Darm übersteigt die Zahl der Körperzellen bei Weitem, und Repetitorium Mikrobiom Individuelles bakterielles Getümmel Es gibt kaum noch ein chronisches Krankheitsbild, das nicht mit der Zusammen- setzung der bakteriellen Besiedlung des Darmtrakts in Zusammenhang gebracht wird. Das gesicherte Wissen darüber, welche Konsequenzen eine Dysbalance der Darmflora haben kann, ist jedoch begrenzt. Kann man, wenn die optimale bakterielle Zusammensetzung bekannt ist, die Darmflora therapeutisch beeinflussen? Foto: adobe.stock - Alex Neues und Bewährtes aus Medizin, Praxis und Forschung. 98 Medizin

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