Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 109, Nr. 01-02, 16.1.2019, (34) Es ist rund 20 Jahre her, dass Aleida Assmann und Ute Frevert mit ihrem Buch „Geschichts- vergessenheit – Geschichtsversessenheit“ eine neue Schablone auf den Umgang mit der deutschen Vergangenheit gelegt haben. Sie beschrieben damals, dass der Blick auf das historische Erbe (immer) bestimmten Konjunkturen und politischen Instrumenta- lisierungen unterworfen ist. Wir wollen sel- ten gleich und zugleich erinnern – der eine schuldig und schamvoll, der andere mit Schlussstrich und normalisierend, ein dritter beschönigend und instrumentalisierend. Mit derselben Schablone lässt sich auch die Geschichte der Sammlung Proskauer/Witt er- zählen. Die jüngere Historie – der Aufarbei- tung, der Dokumentation und der Bemü- hungen um den Erhalt – beginnt 2009 mit dem Auftrag des Arbeitskreises Geschichte der Zahnheilkunde, die Geschichte der kultur- historischen Sammlung Proskauer/Witt, der Bücherei und des Forschungsinstituts sowie die Beweggründe für deren Auflösung auf- zuarbeiten. Verbunden damit war das Ziel, den Restbestand zu sichern, der Öffentlich- keit zugänglich zu machen und wichtige Dokumente dem Bundesarchiv zu übergeben. Was bisher geschah Die ältere Geschichte – der Gründung und der Rettung der Sammlung – ist schon häufiger erzählt worden, auch in den zm, zuletzt in Heft 19/2012 unter dem Titel „Das historische Gedächtnis der Zahnärzte“ [zu finden auf zm-online.de/Archiv/2012 ]. Verkürzt geht sie so: Der jüdische Zahnarzt Curt Proskauer, auf dessen Initiative 1927 das Reichsinstitut für Geschichte der Zahnheilkunde gegründet wurde, verkauft 1927 seine auf 50.000 Reichsmark geschätzte umfangreiche Bibliothek und Privat- sammlung dem Reichsverband der Zahnärzte Deutschlands. 1931 inthronisiert die Fédération Dentaire Internationale (FDI) das Reichsinstitut für Geschichte der Zahnheilkunde, als „Inter- nationale Zentralstelle für die Katalogisierung historischer Objekte aus der Zahnheilkunde“. Proskauer leitet dieses weltweit einmalige Institut wie auch die Bibliothek bis 1933 – nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wird er als Jude entlassen, ausgegrenzt und verfolgt, 1938 ins KZ Buchenwald deportiert, kommt aber nach fünf Wochen frei und emi- griert mit seiner Familie 1939 (mit Unterstüt- zung des Vatikans) über Italien in die USA. Fritz H. Witt, Kommilitone Proskauers in Jena und Geschäftsführer des Reichsverbands, über- nimmt die Betreuung der Sammlung und Bü- cherei und baut sie aus. 1937 folgt der Berliner NS-konforme Medizinhistoriker Walter Artelt als Leiter des Reichsinstituts – Geschichte soll Die Sammlung Proskauer/Witt „Nehmen Sie das Erbe an?“ Über 40.000 Fachbücher, Zeitschriftenbände, Dissertationen, Fotos, Grafiken aus dem 16. und Archivalien aus dem 19. Jahrhundert: Die Sammlung Proskauer/ Witt ist Teil des historischen Gedächtnisses der Zahnärzteschaft. Das hat die Sichtung der vergangenen Jahre eindrücklich bestätigt, doch die Bestände sind verstreut und eingelagert – wie soll es jetzt weitergehen? „Von enormem kulturhistorischem Wert“ – lässt sich das Ergebnis der Sichtung der Archivalien zusammenfassen. Die Suche nach einer festen Bleibe schreitet voran. Foto: BZÄK 36 Gesellschaft

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