Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (175) Alle Porträts: privat dass diese gleichermaßen gut und sicher für alle Weichgewebe, einschließlich der peri- implantären, sind. 5. Welche unerwünschten Nebeneffekte kann das häusliche mechanische Biofilm- management haben? Unterschieden werden müssen zwei unter- schiedliche negative Folgen der mechanischen häuslichen Mundhygiene [Rajapakse et al., 2007; Van der Weijden et al., 2011; Frazelle und Munro, 2012; Oliveira et al., 2014]. Dies sind zum einen mögliche Schäden an Zahnhartsubstanzen und umgebenden Weichgeweben in der Mundhöhle und zum zweiten körperliche Schäden wie eine Bak- teriämie oder das Verschlucken/Aspirieren von Hilfsmitteln. Dabei sind Traumatisie- rungen durch eine falsche Anwendung der bis hier genannten Hilfsmittel zum häuslichen Biofilmmanagement selten und in der Regel lokalisiert. Ohne konkrete Hinweise auf das Vorliegen eines traumatisierenden Mund- hygieneverhaltens soll von der Verwendung der Hilfsmittel nicht abgeraten werden. Der Expertenkonsens war stark, dass aber gerade deshalb auf frühe Traumatisierungszeichen besonders geachtet werden muss und diese nicht leichtfertig übersehen werden dürfen. Hierzu gehört auch, dass gerade bei der Reinigung mit Zwischenraumbürsten diese nicht zusätzlich mit Zahnpasten beschickt werden [Dörfer et al., 2010]. Neben diesen mechanischen Folgen kann es in Abhängig- keit des Entzündungszustands des Zahn- halteapparats auch im Zusammenhang mit dem häuslichen mechanischen Biofilm- management zu Bakteriämien kommen. Da die Abstinenz dieser Maßnahmen zu einer Zunahme der klinischen Entzündung führt und damit das Bakteriämierisiko erheblich steigt, soll nicht auf ein adäquates häusliches mechanisches Biofilmmanagement verzich- tet werden. 6. Empfehlungen zur Instruktion und Moti- vation der häuslichen mechanischen Bio- filmkontrolle inklusive Zungenreinigung Besonderes Augenmerk soll bei der Instruk- tion auf die systematische Reinigung schwer zugänglicher Bereiche sowie des Gingiva- randbereichs gelegt werden. Die Anleitung kann nur im Rahmen einer Instruktion/Moti- vation in der Praxis durchgeführt werden und bedingt eine vorhergehende Unter- suchung mit Befundaufnahme [Oliveira et al., 2014]. Das heißt, eine Instruktion sollte stets individualisiert und defizitorientiert unter Einbeziehung praktischer Übungen erfolgen [Deinzer et al., 2018; Newton und Asimakopoulou, 2015]. Dabei ist zu be- achten, dass die in der Kindheit bereits er- lernten Handlungsweisen im Umgang mit Zahnbürsten nicht radikal zugunsten einer vorgegebenen Bürsttechnik, sondern vor- sichtig modifiziert werden [Muller-Bolla et al., 2013]. Es scheint ratsam, sofern nicht evidenzbasierte Gründe für ein bestimmtes Hilfsmittel bestehen, wie beispielsweise für Interdentalraumbürsten bei approximalen Wurzelkonkavitäten [Sälzer et al., 2015] (Ta- belle 1), den Präferenzen des Patienten eine große Priorität in der Entscheidungsfindung zu geben. Für das Erreichen einer optimalen häuslichen Mundhygiene sind neben den Eigenschaften der Hilfsmittel in jedem Ein- zelfall die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Anwenders relevant. Diese sind alters- abhängig [Muller-Bolla et al., 2013] und müssen unter Einbeziehung jeglicher Ein- schränkungen und Besonderheiten bedacht werden. Für viele weitere Hilfsmittel fehlt häufig die wissenschaftliche Evidenz. Eine Ausnahme bilden hier die Zungenreiniger, die zwar aufgrund der Suchkriterien in der systematischen Analyse keine Erwähnung fanden, aber für die Behandlung des Mund- geruchs klinisch relevant sind [Outhouse et al., 2006], weil dadurch die Biofilme auf der Zunge reduziert werden [Thakur und Stanhope, 1999]. Eine allgemeingültige Empfehlung kann aber aufgrund der schwachen Evidenz zu additiven Effekten durch die Nutzung von Zungenreinigern gegenüber der alleinigen Verwendung von Zahnbürsten nicht gegeben werden [Outhouse et al., 2006; Slot et al., 2015]. Weitere Effekte, wie karies- oder parodonti- tispräventive Wirkungen, sind ebenso wenig eindeutig nachweisbar. Trotzdem empfeh- len die Autoren analog dem europäischen Konsensusbericht von 2015 zur Prophylaxe von Gingivitis und Parodontitis [Sanz et al., 2015], die Zungenreinigung bei diagnos- tizierter oraler Halitosis mit einem für den Anwender möglichst angenehmen und kei- nen Würgereiz verursachenden Zungen- reiniger. Eine professionell durchgeführte Instruktion und Motivation sollte immer das Krankheitsverständnis des Patienten ver- bessern und seine Behandlungsbereitschaft fördern – Schuldzuweisungen und Pauschal- aussagen sind in jedem Fall fehl am Platz. PD Dr. Christian Graetz Klinik für Zahnerhaltungs- kunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 24105 Kiel graetz@konspar.uni-kiel.de PD Dr. Karim Fawzy El-Sayed Klinik für Zahnerhaltungs- kunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 24105 Kiel Dr. Sonja Sälzer Klinik für Zahnerhaltungs- kunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 24105 Kiel Prof. Dr. Christof Dörfer Klinik für Zahnerhaltungs- kunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 24105 Kiel Die Leitlinie „Häusliches mechanisches Biofilmmanagement“ kann über die Websites der DG PARO (www.dgparo.de ), der DGZMK (www.dgzmk.de) und der AWMF (www. awmf.org ) im Volltext frei heruntergeladen werden. Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 49

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