Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 109, Nr. 8, 16.4.2019, (828) 1. Schritt: ausführliches Gespräch zu ... \ Beeinträchtigung durch Karies, \ Dauer und Ausprägung der Karies (Wann wurde festgestellt, dass Probleme bestehen? Was hat der Zahnarzt dagegen unternommen?), \ Kenntnis und Bewusstsein der Personen- sorgeberechtigten oder Bezugspersonen in Bezug auf Mundgesundheit, \ Erörterung der Folgen einer Vernachlässi- gung der Zahn- und Mundhygiene, \ Bereitschaft/Fähigkeit zur zahnärztlichen Behandlung der Kinder und Jugendlichen, \ Verfügbarkeiten der und Bereitschaft zur zahnärztlichen Versorgung. Zusätzlich sollte mit beachtet werden, ob es weitere sichtbare Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung (KWG) gibt, zum Beispiel: \ Anzeichen für Vernachlässigung (man- gelnde Körperhygiene, nicht wettergerechte Kleidung, Untergewicht oder Hinweise auf Mangelernährung, deutliches Übergewicht etc.) \ Art der Eltern-Kind-Interaktion Um das Mitbringen des gelben Vorsorge- heftes zum nächsten Termin sollte gebeten werden (Vorsorge „U“ regelmäßig erfolgt? Einträge, die auf Kindeswohlgefährdung hinweisen?) Grundannahme ist dabei, dass die Ansichten der Kinder bei der Behandlungsplanung je nach Alter und Entwicklungsstand berück- sichtigt werden sollten. Zusätzlich muss die Fähigkeit zur Behandlung berücksichtigt und gegebenenfalls das Behandlungsumfeld an- gepasst werden – durch zum Beispiel Formen der Verhaltenslenkung, pharmakologische Verfahren wie Sedierung, Analogsedierung sowie Behandlung unter Narkose. Typische Gründe für das Nichtwahrnehmen von Terminen ist die Überlastung der Eltern im oder mit dem Alltag, die zu einer gerin- gen Priorisierung der Mundgesundheit ihrer Kinder und Jugendlichen führt. Eine Über- lastung der Eltern spiegelt dabei den Unter- stützungsbedarf dieser Eltern wider. 2. Schritt: Festlegen eines Kontrolltermins (beziehungs- weise Termins zur Zahnsanierung) Szenario A : Folgetermine werden wahrge- nommen, Maßnahmen zur Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit werden offenbar umgesetzt, dann: \ weitere Verlaufskontrollen Szenario B: Folgetermine werden nicht wahrgenommen, dann: \ Familie erneut einladen (gegebenenfalls mit dem Hinweis, dass Sorge besteht) \ erneut das Gespräch suchen (Erörterung der Situation, gegebenenfalls Hinwirken auf Hilfen) \ Bitte um Schweigepflichtentbindung für die Kontaktaufnahme mit dem behandeln- den Kinderarzt Szenario C: Familie erscheint wieder nicht, setzt Maßnahmen nicht um, dann: \ Wenn Schweigepflichtentbindung für Kinderarzt vorhanden ist: Kontaktaufnahme und gemeinsame Erörterung über weiteres Vorgehen (eventuell Beratung durch Kinder- schutzfachkraft). \ Wenn keine Schweigepflichtentbindung für den Kinderarzt vorhanden ist: Beratung durch Kinderschutzfachkraft („Insofern er- fahrene Fachkraft“) nach dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinder- schutz, § 4 KKG (ist nicht verpflichtend, aber eine sinnvolle Option). \ Wenn kein (ausreichender) Anhalt für Kindeswohlgefährdung vorliegt: weiterhin Gespräch, Behandlungen, Hilfen oder Bera- tungen anbieten (jederzeit Neubewertung des Falles erforderlich). \ Wenn ein Anhalt für Kindeswohlgefähr- dung vorliegt: Meldung an das Jugendamt, in der Regel nach Information der Eltern oder Sorgeberechtigten. Dr. Michael Schäfer Vorsitzender des Bundesverbandes der Zahn- ärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Landeshauptstadt Düsseldorf Stellvertretender Leiter des Gesundheitsamtes, Bereich Prävention und Gesundheitsförderung Folke Schläger Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Stellvertretende Leiterin des Bereichs Kinder- und Jugendgesundheit im Gesundheitsamt Düsseldorf zertifizierte Kinderschutzfachkraft Bundesverband der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Unsere Empfehlungen für die Praxis! Besteht der Verdacht auf – dentale – Vernachlässigung sollten Zahnärzte (vor der Verdachtsdiagnose und nach Abschluss von Differenzialdiagnosen für Zahnhart- substanzdefekte) mehrere Faktoren mit dem Kind oder Jugendlichen und seinen Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten besprechen, rät der Bundesverband der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinisches Fachpersonal, die bei Verdachtsfällen von Kindes- misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Kindesmissbrauch wissen wollen, wie sie konkret vorgehen sollen, können sich kostenlos an die Medizinische Kinderschutzhotline (www.kinderschutzhotline.de ) wenden. Das Angebot wird vom Universitäts- klinikum Ulm und dem DRK Klinikum Berlin-Westend betrieben und bietet in schwierigen Entscheidungssituationen eine zeit- und praxisnahe Beratung nach dem Bundeskinderschutzgesetz – es ist kein Ersatz zur Kooperation mit dem Jugendamt. Ziel ist, rechtliche Unsicherheiten etwa zur Informations- weitergabe nach § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Kommunikation im Kinderschutz (KKG) zu klären und Informationen schneller zugänglich zu machen. Im wissenschaftlichen Beirat zu der Hotline ist auch die Bundes- zahnärztekammer vertreten, so dass das Angebot auch auf Zahnärzte aus- gerichtet ist. \ Die Kinderschutzhotline P RAKTISCHE U NTERSTÜTZUNG 22 Kinderschutz-Leitlinie

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