Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1150) ? Ab dem 1. Juli werden erstmals Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder eingeführt. Es ist aber nicht neu, dass Eltern für ihre Kinder in diesem Alter zahnärztliche Kontroll- termine wahrnehmen. Ändert sich etwas an der Behandlung? Dr. Julia Winter: Durch die Einführung der drei neuen zahnärztlichen Früherkennungs- untersuchungen ändern sich bei uns ledig- lich die Abrechnungspositionen – nicht die Behandlung an sich. Die Einführung ist ein entscheidender Beitrag zur Prävention der frühkindlichen Karies und bietet die Chance, dass mehr Eltern ihre Kinder frühzeitig beim Zahnarzt vorstellen. ? Was ist das Besondere an der Untersuchung von Kleinkindern? Das Zeitfenster der Kooperationsbereitschaft ist bei Kleinkindern gering. Als Faustregel gilt zwar ein ungefähres Zeitfenster von fünf Minuten pro Lebensjahr, doch bei Klein- kindern vor dem dritten Lebensjahr muss man diese Faustregel häufig nach unten korrigieren. ? Wie geht man bei der Behandlung der kleinen Patienten am besten vor? Vorab sollte mit den Eltern geklärt werden, zu welcher Tageszeit das Kind kooperations- fähig ist. Im Regelfall empfiehlt sich der Vor- mittag bis mittlere Nachmittag für die zahn- ärztliche Untersuchung von Kleinkindern. Um eine intraorale Untersuchung durchführen zu können, muss das Kind bereit sein, den Mund öffnen. Voraussetzung hierfür ist Ver- trauen gegenüber dem Behandlungsteam. Die Eltern spielen hier die entscheidende Rolle: Schenken sie dem Behandlungsteam Vertrauen, tut das normalerweise auch das Kind, wenn es nicht schon eine schlechte Erfahrung im ärztlichen oder zahnärztlichen Bereich gemacht hat. An dieser Stelle ist es wichtig, negative Erfahrungen genau zu er- fragen, um bei Behandlungsunwilligkeit eine erfolgreiche Adaptation durchführen zu können. Auch Zahnbehandlungsängste der Eltern können sich auf ihren Nachwuchs übertragen. Daher ist es meist sinnvoll, etwaige Ängste bereits vorab abzufragen. Bei Kindern im Kindergartenalter lässt sich das Eis bereits im Rahmen der Begrüßung brechen, indem man etwa Bewunderung für ein vom Kind getragenes Kleidungsstück zum Ausdruck bringt. Grundsätzlich sollte eine spielerische und mundferne Annähe- rung gewählt werden, indem zunächst die vermeintlichen Zähne beim mitgebrachten Teddy, dann die Finger und erst danach die Zähne des Kindes gezählt werden. Ab dem Kindergartenalter funktioniert die Tell- Show-Do-Methode zur Verhaltensführung ganz gut. ? Wie reagiert man, wenn das Kind trotz aller Bemühungen keine Bereitschaft zeigt, den Mund zu öffnen? Wenn das Kind sich gar nicht in den Mund schauen lassen möchte, empfiehlt es sich, den Eltern einen Einmalmundspiegel mitzu- geben. Damit kann im häuslichen Umfeld das Kleinkind bereits an den Blick in den Mund gewöhnt werden. ? Mit diesem Ansatz werden die Eltern aktiv in die Behandlung eingebunden. Wie wichtig ist grundsätzlich der Dialog? Der Dialog mit den Eltern ist sehr wichtig, denn sie tragen die Verantwortung für das Ernährungs- und/oder Zahnpflegeverhalten bei ihren Kindern. ? Wo liegt die größte Herausforderung in der Kommunikation mit den Eltern? Herausforderungen in der Kommunikation bestehen immer nur, wenn das Kleinkind bereits in den Brunnen gefallen ist – also bereits eine frühkindliche Karies vorliegt, die auf ein unzureichendes Ernährungs- und/ oder Zahnpflegeverhalten zurückzuführen ist. Niemand hört gerne, dass durch ein Fehlverhalten Karies beim Nachwuchs ein- getreten ist. Pauschal fallen mir in diesem Zusammen- hang drei Hindernisse ein, die hin und wieder überwunden werden müssen: Da sind zunächst die sprachlichen Hinder- nisse: Es gibt Situationen, in denen man sich als Behandlungsteam sicher ist, dass Eltern mit Migrationshintergrund alles verstanden haben, was man ihnen in einer leichten Sprache zur Ernährung und Zahnpflege er- klärt hat. Die Eltern haben zum Beispiel auf Nachfragen vom Behandlungsteam richtig – mit entsprechenden Angaben, Bejahen oder auch Verneinen – reagiert. Somit be- steht zunächst kein Zweifel am sprachlichen Verständnis der Eltern. Beim nächsten Zahn- arztbesuch liegt bei dem Kleinkind wieder eine ungenügende Zahnpflege vor und zudem ist ein weiterer Karieszuwachs fest- stellbar. Damit offenbart sich, dass hier doch sprachliche Hindernisse vorliegen. In Interview zu Früherkennungsuntersuchungen bei Kleinkindern „Faustregel sind fünf Minuten pro Lebensjahr!“ Ab Juli gibt es erstmals zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder. Doch wie geht man mit diesen – eher unkooperativen – Patienten um? Und was sagt man den besorgten Eltern? Dr. Julia Winter, tätig im Bereich Kinderzahnheilkunde, gibt Tipps für den Praxisalltag. Dr. Julia Winter, M.Sc. Kinderzahnheilkunde Abteilung für Zahnerhaltungskunde des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Marburg Foto: privat 88 Praxis

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