Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1151) solchen Fällen empfiehlt sich unterstützend zur mündlichen Aufklärung zusätzlich einen Comic zur Zahnpflege und zum Ernährungs- verhalten zu Hilfe zu nehmen, um das Er- klärte mit Bildern zu verdeutlichen. Eine weitere Herausforderung kann die fehlende Möglichkeit zur Umsetzung der häuslichen Mundhygiene sein. Das zahn- ärztliche Behandlungsteam versucht natür- lich immer die Eltern bestmöglich aufzu- klären und zu instruieren, so dass sie bei ihren Kindern im häuslichen Bereich eine optimale Zahnpflege und zahnschonende Ernährung durchführen. In manchen Fami- lien sind die Eltern aufgrund von drücken- den Alltagssorgen, Erkrankungen oder an- deren persönlichen Umständen allerdings gar nicht in der Lage, die Empfehlungen umzusetzen, weil einfach eine Überforde- rung besteht. In solchen Situationen kann die motivierende Gesprächsführung helfen, in kleinen Schritten eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Als drittes Hindernis ist die elterliche Ablehnung jeglicher Fluoridverbindungen im kindlichen Mund zu nennen. Zum Glück lenken die meisten Eltern ein, wenn im Gespräch die Wirkung und der Nutzen von Fluoriden sowie mögliche Folgen einer Nicht-Anwendung erklärt werden konnten. Auch die Sorgen der Eltern bezüglich einer Fluoridüberdosierung und deren Folgen können häufig durch eine Aufklärung aus- geräumt werden. Meine Lieblingssätze am Ende dieser Gespräche sind: „Natürlich können Sie ihr Kind auch ohne Fluoride kariesfrei in die Selbstständigkeit entlassen. Dies gelingt aber nur, wenn der Zahnbelag regelmäßig optimal entfernt wird und weder Säuren noch Zucker in den kind- lichen Mund gelangen. Wenn Sie dies schaffen, dann kann ich Sie nur herzlich beglückwünschen. Mir persönlich wäre die ständige Kontrolle zu stressig.“ Leider gibt es aber auch Eltern, die einer vernünftigen Argumentation nicht zugänglich sind. ? Welche Fragen sollten den Eltern, neben dem bereits besprochenen Fluoridgehalt der Zahnpasta, noch gestellt werden? Wichtig sind vor allem Fragen, die helfen, das Kariesrisiko des Kleinkinds zu bestim- men. Dazu zählen neben der Anwendung von Fluoriden die Zahnpflege (Frequenz, Technik), die Ernährung, das Stillverhalten (insbesondere Beruhigungsstillen) und das Trinkverhalten (Inhalt, Verfügbarkeit, Fre- quenz, Trinkgefäß). Dabei sollte sich das Behandlungsteam genug Zeit nehmen und neben geschlossenen auch offene Fragen stellen. ? Welche Tipps können Sie konkret für die Eltern-Kommunikation geben? Diese Frage muss differenziert beantwortet werden. Grundsätzlich sollte man sich Zeit für die Kommunikation nehmen. Eigentlich ist es immer besser, den Eltern möglichst auf Augenhöhe und ohne den erhobenen Zeigefinger zu begegnen. Doch manchmal trifft man auf Eltern von Kindern mit einer ECC, die sich ihrer Verantwortung für die Mundgesundheit ihres Nachwuchses gar nicht bewusst sind und sofort die Sanierung des Gebisses in einer Sitzung fordern. In solchen Situationen muss man den Eltern dann schon deutlich zu verstehen geben, dass sie selbst die Verantwortung für die Mundgesundheit ihres Kindes tragen und nicht etwa das Kleinkind oder der Zahnarzt. Nur wenn die Eltern danach Einsicht zeigen, ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Eltern und dem Behandlungsteam zum Wohle des Kindes geschaffen. Neben diesem Extrem gibt es auch Eltern von ECC-Kindern, die massive Schuld- gefühle haben. Hier sollte man sensibler vorgehen, denn die Eltern haben die Ursachen bereits erkannt und sind gewillt, es in Zukunft besser zu machen. Neben einer Kariessanierung und/oder Reminerali- sierung muss hier durch das Behandlungs- team eine empathische Beratung mit dem Ziel einer adäquaten häuslichen Karies- prävention und einer regelmäßigen Inan- spruchnahme der professionellen Karies- prophylaxe erfolgen. ? Wie geht man am besten vor, wenn man eine insuffiziente Mundpflege oder eine beginnende ECC bei einem Kleinkind diagnostiziert? Auch hier sollte man zunächst bei den Eltern ansetzen, um die Ursachen für die begin- nende ECC zu evaluieren. Wenn sich heraus- stellt, dass die häusliche Zahnpflege unzu- reichend ist, sollte man die Eltern nicht nur darüber aufklären, sondern eine adäquate Mundpflege direkt an ihrem Kind demons- trieren und dies mit ihnen üben. Bei einer initial kariösen Läsion sollte zudem eine regelmäßige Fluoridlackapplikation (drei- monatlich) als ACT (Arresting Caries Treat- ment) erfolgen. Nur wenn die zahnschädi- genden Verhaltensweisen abgestellt werden, besteht die Chance, ein Voranschreiten der Initialläsion zu verhindern und mittels Fluo- ridierung eine erfolgreiche Remineralisation durchzuführen. ? Was sind die häufigsten Fehler bei der Untersuchung von Kleinkindern und wie können diese vermieden werden? Wie zuvor bereits erwähnt ist das Zeitfenster für die zahnärztliche Untersuchung von Kleinkindern gering. Trotzdem brauchen die Kinder ein paar Minuten, um mit der unge- wohnten Umgebung warm zu werden. In- sofern ist es absolut kontraproduktiv, wenn der Behandler versucht, die Untersuchung möglichst schnell durchzuführen und dem Kind zu wenig Zeit für eine Gewöhnung an die Behandlungssituation einräumt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind sich ver- weigert ist in solchen Fällen hoch. Kindern sollte man ruhig, locker, mit einer kind- gerechten Sprache begegnen. Auch die be- reits angesprochene mundferne Annäherung bietet eine gute Kontaktaufnahme zum Kind und kann helfen, spielerisch Vertrauen zwischen Kleinkind und Behandler zu schaffen. Wenn diese Kontaktaufnahme positiv verläuft, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass neben einem Gespräch mit den Eltern über Zahngesund- heit auch eine intraorale Untersuchung beim Kind möglich ist. Die Fragen stellte Dr. Nikola Lippe. 89

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