Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1625) Weitere Hinweise zur Scheinselbstständig- keit liefert ein Urteil des Sozialgerichts Kassel aus dem Jahr 2017: Beschäftigte gelten demnach als „scheinselbstständig“, wenn sie vorausgeplante Behandlungen über- nehmen, im regelhaften Betrieb tätig sind, auf Stundenlohnbasis bezahlt werden, über einen Dienstvertrag befristet tätig sind, ohne erkennbares wirtschaftliches Unternehmer- risiko arbeiten, in den alltäglichen, fremd- bestimmten Praxisalltag eingebunden sind sowie in dessen Organisation (SG Kassel, Urteil vom 11. Januar 2017, Az.: S 12 KR 448/15; S 12 KR 299/16) Die andere entscheidet selbst, wann sie kommt Wie eine Vertretung, ohne dass Sozial- abgaben anfallen, beschäftigt werden kann, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG Baden-Württem- bergg, Urteil vom 21. Februar 2017, Az.: L 11 R 2433/16). Hier hatte eine Radiologin tageweise die Urlaubsvertretung in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis über- nommen, etwa die Befundung von radio- logischen Untersuchungen in der Praxis, und in der Regel von 9 bis 14 oder 15 Uhr gear- beitet. Dafür stellte sie der Praxis Rechnun- gen mit dem vereinbarten Stundensatz. Die Praxis wiederum rechnete die Leistungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab. Zunächst sah die Rentenversicherung die Tätigkeit der Radiologin als abhängige, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit an. Dagegen klagte die Praxis, das LSG gab ihr recht. Entscheidend waren den Richtern zufolge die vertraglichen Vereinbarungen, außerdem fehlte die willentliche und ver- tragsmäßig abgesicherte Eingliederung der Radiologin in die Gemeinschaftspraxis. So wurden der Ärztin von der Praxis keine fes- ten Arbeitszeiten oder Schichten ohne vor- herige Absprache und gegen ihren Willen zugewiesen. Sie konnte selbst entscheiden, an welchen Tagen sie eine Vertretung über- nehmen wollte. Die Radiologin war auch „äußerlich“ nicht in die Praxis eingebunden, sie trug nicht die ansonsten einheitliche Praxiskleidung und nahm nicht an Team- besprechungen teil. sg Muss die Urlaubsvertretung wie ein Ar- beitnehmer im Beschäftigungsverhältnis handeln, gilt sie als scheinselbstständig , und damit abhängig beschäftigt: \ Sie hat die uneingeschränkte Verpflich- tung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten. \ Sie muss bestimmte Arbeitszeiten einhal- ten. \ Sie hat die Verpflichtung, dem Auftrag- geber regelmäßig in kurzen Abständen de- taillierte Berichte zukommen zu lassen. \ Sie arbeitet in den Räumen des Auftrag- gebers oder an von ihm bestimmten Orten. \ Sie ist verpflichtet, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbe- sondere Kontrollmöglichkeiten des Auftrag- gebers verbunden sind. Tatsächlich selbstständig ist die Vertre- tung, wenn sie das unternehmerische Ri- siko in vollem Umfang selbst trägt und ih- re Arbeitszeit frei gestalten kann. Der Er- folg ihres finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von dritter Seite ab. Der Düsseldorfer Fachanwalt für Medizin- recht, Dr. Hansjörg Haack, empfiehlt, in Vertretungsfällen den Praxisvertreterver- trag präzise und schriftlich zu verfassen, da die Gesamtwürdigung anhand der ge- troffenen Vereinbarungen erfolgt. Will man Sozialabgaben vermeiden, sollte im Praxisvertretervertrag hervorgehoben werden, dass der Vertreter für die Vertre- tungszeit an die Stelle des Praxisinhabers tritt. Um dem Eindruck zu begegnen, dass der Vertreter in die Praxis eingeglie- dert wird, was Sozialabgaben auslöst, sollte im Vertrag fixiert werden: \ Der Inhaber ist gegenüber dem Vertreter nicht weisungsbefugt. \ Der Vertreter ist vielmehr gegenüber dem übrigen Personal weisungsbefugt und tritt insoweit an die Stelle des Praxisinha- bers. \ Der Vertreter ist in der Ausgestaltung sei- ner Vertretung so weit wie möglich frei, ge- gebenenfalls auch bezüglich der Praxisöff- nungszeiten. sg Die Deutsche Rentenversicherung rät Trilaterales Treffen in Potsdam Länder fordern Pflichtmitgliedschaft für Ketten Auf ihrem diesjährigen Treffen in Potsdam bekräftigten deutsche, französische und italienische Standesvertreter der Zahnärzte- schaft ihre Forderung nach einer Pflichtmitgliedschaft für Investoren-betriebene Ketten, teilt die Bundeszahnärztekam- mer mit. „Aktueller Dauerbrenner sind Re- gularien für Investoren-gesteuerte Zahnarztketten, welche für alle Länder große Herausforderun- gen bedeuten. Auch wenn die italienischen und französischen Standesvertreter in Verbänden organisiert sind und nicht in Kammern, sind sie genau wie wir für die Pflichtmitgliedschaft dieser Ketten“, berichtet Roxana Dürsch, Referentin in der Abtei- lung Europa und Internationales der BZÄK in Brüssel. In diesem Zusammenhang sei in Potsdam auch über den Beschluss des Europäischen Zahnärzteverbands (Council of European Dentists, CED) disku- tiert worden, der Ende Mai in Wien verabschiedet wurde und ebenfalls eine Pflichtmitglied- schaft für zahnmedizinische Konglomerate vorsieht. Deutsch- land, Italien und Frankreich bekräftigten in Potsdam diese Forderung. mth 79 Praxis/Nachrichten

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