Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 109, Nr. 17, 1.9.2019, (1816) 4 Jahre) und dem fahrlässigen Einsatz von fluoridhaltigen Reinigungspasten, Gelen und Lacken können akute, toxische Symptome hervorgerufen werden. Beim Verschlucken von geringfügigen Überdosen kann es aller- dings zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Die Gefahr von klinisch relevanten Dental- fluorosen (Abbildung 3) besteht bis zum Alter von sechs bis sieben Jahren, da bis dahin alle bleibenden Zähne im sichtbaren Bereich mineralisiert sind. Somit ist bis zu diesem Alter die Fluoridnutzung sorgfältig zu kon- trollieren. Bei 0,05 bis 0,07 mg Fluorid pro kg Körpergewicht kommt es bei einem Teil der Kinder zu sehr leichten, weißlichen Schmelz- flecken [Angmar Manson und Whitford, 1982; Baelum et al., 1987]. Das Risiko für die per- manenten Frontzähne ist bei Kleinkindern am höchsten, da sie ein geringes Körper- gewicht aufweisen und damit die kritische Dosis niedrig liegt. Außerdem verschlucken sie einen Teil der Kinderzahnpaste. Zur Vermeidung von Dentalfluorosen sollte/n bei Kindern unter sechs Jahren - vor der Fluoridnutzung eine Fluoridanam- nese erhoben werden, - die Fluoridaufnahme über Kinderzahn- paste kontrolliert werden, - die Kombination von mehreren Fluorid- präparaten kritisch abgewogen werden, - hochkonzentrierte Fluoridpräparate nur in der Zahnarztpraxis und sparsam aufge- bracht werden. Fluoridpräparate für Kleinkinder Fluoride sind nicht die einzige Säule der Kariesprävention. Die Fluoridanwendung muss in ein präventives Gesamtkonzept ein- gebettet sein, das auch die Plaqueentfernung und Ernährungslenkung einbezieht. Die Evi- denzbasis für Fluoride ist allerdings gegen- über allen anderen Präventionsansätzen am besten und daher sollten sie explizit genutzt werden. So bietet sich beim Zähneputzen neben der reinigenden Wirkung die gleich- zeitige Lokalfluoridierung mit Zahnpaste an. Bei der Ernährung ist neben der Häufigkeit der Zuckerimpulse die Fluoridaufnahme im Trink- und Mineralwasser sowie in anderen Lebensmitteln zu berücksichtigen. Insgesamt stehen zur Kariesprävention zahl- reiche Fluoridpräparate zur Verfügung, aber bei Kleinkindern sollte die Aufnahme von erhöhten Dosen ausgeschlossen werden. Aufgrund der Gefahr des unkontrollierten Verschluckens ist der Einsatz von Mundspül- lösungen oder Fluoridgelen daher bei Klein- kindern nicht sinnvoll. Der regelmäßige ord- nungsgemäße Gebrauch von Kinderzahn- pasten führt bei einer Kontrolle der anderen Fluoridquellen, insbesondere bei Ausschluss der systemischen Zufuhr über Tabletten, nicht zur Dentalfluorose (Abbildung 3). Die Wirkung von Fluoridlacken ist wissen- schaftlich hervorragend untersucht. Auch bei kleinen Kindern ermöglichen sie als pro- fessionelle Applikation einen gut dosierbaren, risikobezogenen Einsatz für Kariesprädilek- tionsstellen, Initialläsionen oder kariöse De- fekte. Eine Metaanalyse ergab einen durch- schnittlichen kariespräventiven Effekt von 46 Prozent [Marinho, 2009]. „Systemische Fluoridnutzung“ Der systematische Review- und Experten- prozess der Europäischen Akademie für Kinder- zahnheilkunde [EAPD, 2019] kann sich nur auf eine schwache Evidenzbasis für die Wirksam- keit der Fluoridierung von Speisesalz stützen, da bei Einführung einer kollektiven Präven- tionsmaßnahme adäquate Kontrollgruppen kaum zu generieren sind. Die Salzfluoridie- rung dürfte allerdings bei ausreichender Dosierung wie die Trinkwasserfluoridierung aufgrund der häufigen lokalen Zuführung Abbildung 2: Eine nichtrepräsentative Besichtigung der Drogerie- und Supermarktregale erbrachte eine Kinderzahnpaste mit 1.000 ppm und dünner Öffnung für eine reiskorngroße Dosierung vom ersten Zahn an (a). Andere Zahnpasten mit 1.000 ppm haben eine größere Öffnung und sind daher erst ab einem Alter von zwei Jahren vorgesehen (b), während viele Kinderzahnpasten trotz Aufdruck „Altersgerechter Fluoridanteil“ mit nur 500 ppm für Kindergartenkinder noch nicht die neuen europäischen und deutschen Empfehlungen umsetzen (c). Eltern sollten deshalb in der Zahnarztpraxis beraten und dazu angehalten werden, die Herstellerangaben zur Fluoridkonzentration genau zu lesen. Fotos: Mourad/Splieth Abbildung 3: Die leicht erhöhte, systemische Fluoridaufnahme im Kleinkindalter führt zur Dentalfluorose, meist an den permanenten Frontzähnen. Foto: Christian H. Splieth Abbildung 4: Elterliche Hilfe beim Zähneputzen und Nachputzen verbessert die Wirkung von Fluoridzahnpasta und stellt eine ausreichende Plaqueentfernung sicher. Deutsche und euro- päische Richtlinien favorisieren das Putzen durch die Eltern mit fluoridhaltiger Kinderzahnpaste vom ersten Zahn an [DGPZM, 2018; EAPD, 2019]. Foto: M. Alkilzy 30 Zahnmedizin

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