Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 109, Nr. 18, 16.9.2019, (1978) Obwohl sich immer mehr gezielte Prophylaxe- maßnahmen für das Milchgebiss etablieren, gilt die frühkindliche Karies nach wie vor als häufigste chronische Erkrankung im Klein- kind- und Vorschulalter. Zwar steigt die Zahl der Kinderzahnarztpraxen in Deutschland, dennoch wird der Großteil der Kinder in der allgemeinzahnärztlichen Praxis versorgt. Die Behandlung von Kindern erfordert ein Umdenken, da gängige und erprobte The- rapien der bleibenden Dentition nicht ein- fach auf das kindliche Gebiss übertragen werden können. So zählen beispielsweise eine reduzierte Schmelz- und Dentindicke, der geringere Mineralgehalt des Schmelzes, eine größere Pulpakammer sowie eine limi- tierte Regenerationsfähigkeit der Pulpa zu den anatomisch-morphologischen Besonder- heiten des Milchzahns, die bei dessen Be- handlung berücksichtigt werden müssen. Neben medizinischem und technischem Know-how braucht der Zahnarzt / die Zahn- ärztin auch Erfahrung im Umgang mit Kin- dern und eine auf den kindlichen Patienten ausgerichtete Praxisorganisation. Dazu ge- hören die Option einer Desensibilisierungs- behandlung für die Vorbereitung des eigent- lichen Eingriffs, die Kinderprophylaxe sowie die Möglichkeit einer Sanierung in Vollnarko- se. Da diese organisatorischen Bedingungen nicht in jeder Zahnarztpraxis gegeben sind, ist es umso wichtiger, seine eigenen Grenzen als Behandler zu kennen und das Kind recht- zeitig an einen Spezialisten zu überwiesen. Allgemein lassen sich zwei Problemgruppen identifizieren: Die erste sind Kleinkinder mit massiver Flaschenkaries, die aufgrund des Alters und der Schwere des Befunds nur in Allgemeinanästhesie behandelt werden können. Zur zweiten Gruppe gehören ältere, behandlungswillige Kinder mit kariösen De- fekten, bei denen die „einfache“ Füllungs- therapie nicht mehr möglich ist, da eine pulpanahe Karies vorliegt. Trotzdem kön- nen auch Generalisten zufriedenstellende und schnelle Therapien anbieten, wenn das klinische Wissen dem aktuellen Stand der Kinderzahnheilkunde entspricht. Die richtige Diagnostik im Milchgebiss Zentraler Anspruch der Kinderzahnheilkunde ist: Jeder Milchzahn sollte (wenn überhaupt) nur einmal behandelt werden. Daher sind frühzeitige sowie regelmäßige zahnärztliche Kontrollen unerlässlich. Neben einer soliden klinischen Untersuchung (Karies, Zahnfarbe, Schwellung, Rötung, Fistel, Zahnbeweglichkeit in Abhängigkeit von Zahnwechsel, Zustand der Nachbarzähne) spielt die röntgenologische Diagnostik (Umfang der Karies, interradikuläre Aufhellungen, Resorptionen, Lage des Zahn- keims) für die vorausschauende Planung und für die erfolgreiche Therapie eine wichtige Rolle. Vor allem die Röntgenuntersuchung bringt meistens einen entscheidenden Mehr- wert, da die Karies bei Kindern aufgrund der breiten, flächigen Approximalkontakte klinisch oft sehr schwer zu diagnostizieren ist (Abbildung 1) [Fuks, 2005]. Auch wenn Eltern sich besorgt in Hinsicht auf die Röntgenstrahlung zeigen, sollte keine Therapie ohne Röntgenbild stattfinden. Nicht selten endet eine scheinbare Fissuren- karies in einer Caries profunda, die mit einer Krone versorgt werden muss. Um sowohl Sicherheit für die Therapieentscheidung zu erlangen als auch die Eltern rechtzeitig über die Intervention aufzuklären, ist das systematische Röntgen bei Kariesverdacht unerlässlich. Bei einer noch nicht kavitierten Läsion am Einzelzahn sollten auch die Zähne des antagonistischen Kiefers mithilfe von Bissflügeln untersucht werden (Abbil- dung 2). Karies im Milchgebiss Füllung, Krone, Extraktion? Die Entscheidungsregeln Simone Ulbricht Karies im Milchgebiss stellt den allgemeintätigen Zahnarzt oft vor das Problem entscheiden zu müssen, welche Therapie für den Zahn die geeignetste ist. Häufig ist die gewählte Therapie nicht adäquat oder die kariöse Läsion bleibt unversorgt. Daraus können endodontische Beschwerden resultieren, die meist zu einer Extraktion des Milchzahns führen. Der Beitrag soll als Leitfaden dienen und helfen, aus der Menge der zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen die richtige Wahl für die Diagnostik sowie für eine adäquate Therapie zu treffen. Alle Fotos: Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe 40 Zahnmedizin

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