Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 109, Nr. 23-24, 1.12.2019, (2628) GOZ – Der verlorene Inflationsausgleich \ Zum Beitrag „GOZ-Steigerungsfaktor –2,3-fachen Satz nicht universell anwenden!“, zm 18/2019, S. 26–27. Empört euch! Engagiert Euch! Der französische Widerstandskämpfer und UN-Diplomat Stéphane Hessel appelliert: „Neues schaffen heißt, Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt, Neues schaffen.“ Zwar ist die Gebührenordnung für Zahnärzte von 2012 „neu“, jedoch ist der Punktwert noch immer alt. Die Nicht-Anpassung des GOZ-Punkt- wertes seit 1988 ist allen zahnärztlichen Kollegen ein Dorn im Auge. Kein Wunder! Ist doch der Punktwert gedacht, die Teuerungsrate zu kompensieren. Diese ist seit 1988 jedoch derart gestiegen, dass man im Jahr 2019 nicht mehr von einem adäquaten Verhältnis des 1988 eingeführten Punktwerts als Inflationsausgleich sprechen kann. Doch das ist auch nur die halbe Wahrheit! Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) hat die von 1965 gültige Version der Bundes- gebührenordnung für Zahnärzte (BUGO-Z) abgelöst. Dabei wurde „unter Einschluss auch der neu aufgenommenen Leistungsbereiche (Implantologie, Gnathologie) auf der Grundlage des damaligen Ge- bührenvolumens kostenneutral auf die neue GOZ umgestellt. Insge- samt soll die neue Gebührenordnung GOZ nicht zu einer Änderung des Gebührenvolumens führen“. Und das obwohl weitere Leistungs- bereiche wie Implantologie und Gnathologie hinzukamen. Das ent- sprach bereits 1988 faktisch einer Abwertung. Auch wenn der GOZ- Punktwert erst 1988 eingeführt wurde, so wurde das Honorarvolumen der neuen GOZ von 1965 übernommen! Einen neuerlichen Honorar- zuwachs wurde den deutschen Zahnärzten erst mit der Novellierung der GOZ 2012 gegönnt. Allerdings sollten das nur 6% sein. Dass es nach der Überprüfung der GOZ-Novelle 2015 9,2% wurden, ändert nichts an der fehlenden Punktwertanpassung als Instrument des Inflationsausgleichs. Erstaunlicherweise haben es die deutschen Zahnärzte jedoch nicht nur mit dem Gesetzgeber als Verordnungsgeber schwer, sondern auch mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Zweimal wur- den bereits diesbezügliche Verfassungsbeschwerden vom Bundes- verfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Das erste Mal im Jahr 2001, das zweite Mal 2011. 2001 gab es noch so etwas wie eine kurze Begründung, 2011 hat man dann auf eine Begrün- dung gänzlich verzichtet, was sicherlich dem gestiegenen Arbeits- aufwand der Richterschaft im Allgemeinen geschuldet ist. In ihrer Begründung vom 13.02.2001 fassen sich die Richterin Jaeger und die beiden Richter Hömig und Bryde (-1BvR 2311/00-) kurz: „Eine Verlet- zung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten ist nicht ersichtlich, solange der Beschwerdeführer von den Gestaltungsmög- lichkeiten, die ihm die Gebührenordnung für Zahnärzte eröffnet, keinen Gebrauch macht.“ Je mehr man sich mit der Begründung auseinandersetzt, desto weniger weise wirkt sie. Woher wussten die Richter, dass der Beschwerdeführer die GOZ-Gestaltungsmöglich- keiten nicht nutzt? Wurde sein Abrechnungsverhalten tatsächlich ge- würdigt und welchen Bezug hätte dieses Abrechnungsverhalten zum inflationsausgleichenden Punktwert? Woher käme die plötzliche Erkenntnis, dass es sich um eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten handelt, wenn die Zahnärzteschaft von den Gestaltungsmöglichkeiten der GOZ Gebrauch machen würde? Und tut sie das nicht schon längst? Wir wollen uns daher etwas genauer mit den Gestaltungsmöglich- keiten, welche die Zahnärzte haben, auseinandersetzen. Die erste Gestaltungsmöglichkeit der GOZ ist gleich der § 2. Und zwar mit der Möglichkeit der freien Honorarvereinbarung (§2/1 GOZ). Diese Möglichkeit wird von vielen standespolitischen Vertreten propagiert, jedoch muss jeder Zahnarzt für sich prüfen, ob diese Möglichkeit für ihn passend ist. So konnte in unserer Praxis die freie Honorar- vereinbarung trotz wiederholter Versuche (noch) nicht umgesetzt werden. Dies liegt möglicherweise daran, dass der Paragraf 2 auch Nachteile birgt. Eine notwendige Justierung des Honorars aufgrund patientenindividueller Herausforderungen, welche sich oft erst im Laufe einer komplexen Behandlung zu erkennen geben, ist dann nicht mehr möglich! Eine weitere Möglichkeit ist der § 5, wobei es sich hier um den Steigerungsfaktor handelt, welcher unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Eine Begründung des Steigerungsfaktors mit der Kostensteigerung und des Ausbleibens der Punktwertanpassung ist dadurch nicht möglich und auch seitens des Verordnungsgebers nicht gewollt. Aber da selbst Verfassungsrichter hier kein Problem sehen, kann man das getrost als Erkenntnisgewinn bezeichnen. Eine sehr gute Gestaltungsmöglichkeit bietet der § 6 GOZ. ImGebüh- renverzeichnis nicht erfasste selbstständige Leistungen müssen ent- sprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden (Analog- berechnung). Die Festlegung der Gleichwertigkeit liegt dabei im Ermessen des Zahnarztes. Zwar wurde die Novelle der GOZ 2012 durchgeführt, um vor allem die Analogberechnung von direkten dentin- adhäsiven Mehrfarb- und Mehrschichtkompositfüllungen und der Professionellen Zahnreinigung (aus Kosten- bzw. Beihilfeerstattungs- gründen) zu beseitigen, dennoch gibt es eine enorme Vielzahl an eigenständigen zahnärztlichen Leistungen, welche glücklicherweise nicht in der GOZ-Novelle von 2012 Berücksichtigung gefunden haben. Diese sollte jeder Zahnarzt zur Durchführung des wissenschaftlichen Fortschritts in der Zahnheilkunde gemäß § 6 berechnen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung sieht die privaten Versicherungen in dieser Hinsicht als wahren Innovationsmotor. Zitat PKV: „Denn die schnelle und häufig überproportionale Finanzierung medizinischer Innovationen durch die PKV ist die Regel. Und für den zahnmedizinischen Bereich gilt, dass seit der Einführung von Fest- zuschüssen in der zahnmedizinischen Versorgung der GKV die Zahn- zusatzversicherungen der PKV echte Innovationsversicherungen sind, die den Zugang der Patienten zu einer modernen Implantologie sicherstellen.“ Der Paragraf 6 ist demnach die einzige Möglichkeit der bereits wieder veralteten GOZ-Novelle, dem Wunsch der Patienten 10 Leserforum

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